Über den Sinn und Unsinn von Altersempfehlungen für Kinderbücher

Jeder, der gelegentlich oder häufiger Bücher für Kinder kauft, kennt das Problem: Ist das Buch geeinget für das jeweilige Kind? Dabei geht es nicht nur darum, etwas inhaltliche Passendes zu finden – das ist oft das geringste Problem –, sondern ein Buch zu finden, das den Lesefertigkeiten des Kindes entspricht. Zu einfach soll es nicht sein, denn dann ist das Kind in kürzester Zeit durch, wurde nicht gefordert und selbst wenn es die Geschichte an sich gut fand, wird es das Buch vermutlich kein zweites Mal zur Hand nehmen. Zu schwer sollte es aber auch nicht sein, denn dann verliert das Kind leicht die Lust und legt das Buch in die Ecke. Ob es sich ein halbes oder ein Jahr später noch einmal daran wagt, ist die Frage.

Also versuchen wir alle, das jetzt im Moment genau passende Buch zu finden. Damit das gelingt, orientieren wir uns an Altersempfehlungen. Und dann ärgern wir uns, weil es doch wieder nicht gepasst hat. Woran liegt das?

Kinder sind keine homogene Masse

Die Kinder sind einfach zu verschieden! Während in Berlin Kinder mittlerweile mit fünf Jahren eingeschult werden, kann andernorts ein regulär eingeschultes Kind fast sieben sein, ein zurückgestelltes noch älter. Viele Kinder kennen bereits vor der Einschulung alle oder einzelne Buchstaben, manche lesen schon die Schlagzeilen der Zeitung, andere bereits ganze Bücher. Andere Kinder lernen das Lesen tatsächlich in der Schule. Während die einen um Weihnachten herum verstanden haben, wie das mit dem Zusammenziehen funktioniert und sich die noch fehlenden Buchstaben nebenher aneignen, klappt es bei anderen erst um Ostern herum. Auch die verschiedenen pädagogischen Methoden machen einen Unterschied.

Ist die erste Hürde genommen, geht es jedoch auch nicht homogen weiter. Ist ein Kind erst einmal der Faszination des Lesens erlegen, wird es sich schnell von kleiner Schrift und fremden Worten nicht mehr schrecken lassen, wenn es mehr über ein Thema wissen will oder das Buch es reizt. Andere tun sich noch lange schwer, lesen noch Jahre (oder für immer) lieber Comics, weil sich durch die Bilder der Inhalt leichter erschließt und sich der Erfolg schneller einstellt.

Die Mühen des Lesenlernens

Während einige Fünfjährige bereits Pippi Langstrumpf lesen, kämpfen manche Neunjährigen noch mit der ersten Lesestufe herum. Diese enorme Spanne muss bei den Empfehlungen berücksichtigt werden. Nach meinem Eindruck gehen die Verlage davon aus, dass ein Kind mit sechs Jahren in die Schule kommt, mit sieben einfache Erstlesebücher schafft, mit acht komplexere, längere Texte liest, die aber noch mit größerer Schrift gesetzt sind und etwa ab neun Jahren so ziemlich alles lesen kann, was inhaltlich für sein Alter geeingnet ist.

(c) Simone Peter, pixelio.de

Für jedes Alter das richtige Buch

Dies muss man im Hinterkopf behalten, wenn man ein Kinderbuch kaufen möchte. Kennt man das zu beschenkende Kind nicht näher, ist es ratsam, sich an diesen Empfehlungen zu orientieren. Kennt man es aber, kann man gegebenenfalls getrost einige Jahre daraufschlagen oder abziehen. Man muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man einem siebenjährigen Bücherverschlinger ein Buch ab 9 schenkt. Und ebensowenig muss man sich Gedanken machen, wenn man für das neunjährige Kind ein Buch mit großer Schrift und kurzen Kapiteln heraussucht! Wichtig ist doch nur, die Freude am Lesen zu fördern und zu bewahren.