Anna Boulanger: Papa ist doch kein Außerirdischer!

Viele Bezeichnungen für einen Papa

Theo, von seiner Oma Naseweis genannt, berichtet über seinen Vater, bei dem er jedes Wochenende zu Besuch ist. Die anderen Leute sagen komische Dinge über seinen Papa, für die er sich Begründungen überlegt.

Jedes Wochenende bin ich bei meinem Papa.
Meinem Papa ist nie kalt, weil er ein Warmer ist.

Die Leute sagen, Papa sei von einer anderen Fakultät, ein Tempelritter, ein halbseidener Zylindervergolder, spiele am liebsten mit Jungs usw. Vieles versteht das Kind aber überhaupt nicht.

Neulich in der Schule habe ich gehört, wie meine Lehrerin dem Direktor gesagt hat, Papa ist im Hoch- und Tiefbau und dass das bei Künstlern häufig vorkommt.
Ich weiß nicht, was sie meint. Papa sagt, er hat noch nie was gebaut außer Sandburgen, weil er nämlich zwei linke Hände hat.

Papa ist also homosexuell, was der Junge aber entweder nicht weiß oder nicht darauf bezieht. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Bezeichnungen wörtlich zu nehmen.

Wenn ein Elternteil homosexuell ist

Theo versteht nicht, warum die anderen Leute abfällig über seinen Vater reden (denn den abfälligen Tonfall wird er durchaus bemerken, auch wenn es den Hintersinn der Worte nicht versteht). Für ihn ist das einfach sein Papa, den es gerne hat. Viele Seiten lang werden Bezeichnungen für Schwule aufgezählt und Theos Ratlosigkeit gezeigt. Irgendwann fragt er seinen Papa danach. Der wird ein bisschen sauer, aber dann erklärt er es Theo:

Die ganzen Sachen, die ich gehört habe, bedeuten einfach nur, dass mein Papa schwul ist. Das heißt, dass er Männer liebt.

Ich habe etliche der Begriffe gar nicht gekannt und zuerst angenommen, dass es sich um wörtliche Übersetzungen aus dem Französischen handelt, aber dem ist nicht so. Es sind tatsächlich alles Begriffe, die im Deutschen verwendet werden.

Auf der jeweils rechten Seite ist ein Bild, in dem eine Männersilhouette mit Frack zu erkennen ist (wie ein Scherenschnitt), die das wörtlich Genommene tut, beispielsweise zum anderen Ufer rudert. Die Bilder sind dreifarbig, schwarz, weiß und rot. Leider sind diese Bilder meist sehr klein, obwohl auf der Seite viel mehr Platz wäre. So sieht man beim Apfelspalter das Männchen mit erhobenem Arm. Es hält irgendetwas in der Hand. Das wird wohl ein Messer sein, aber das erkennt man nicht. In einiger Entfernung liegt auf einem Tischchen ein roter Apfel vor der rot-weiß gemusterten Wand. Man sieht ihn nur, wenn man genau hinschaut. Das finde ich sehr schade, denn die Bilder an sich sind sehr schön und wenn sie seitenfüllen abgedruckt wären, könnte man sicher alles genau erkennen.

Auf den inneren Einbandseiten sieht man Ausrisse aus Lexika. Hier gibt es die Erläuterungen, die das Kind finden würde, wenn es Fakultät, Hochbau, Torfstecher etc. nachschlägt.

Gegen Vorurteile

Das Buch kann ein guter Gesprächseinstieg sein, finde ich. Hat das Kind wirklich einen schulen Vater und hört ständig solche teils lustig gemeinten, teils herabwürdigen Bezeichnungen? Oder gibt es vielleicht im Umfeld einen Homosexuellen und das Kind hat selber schon nachgeplappert, was es von den Erwachsenen gehört hat? Es hält auch den vorlesenden Erwachsenen einen Spiegel vor. Wie leicht ist etwas Verletzendes dahingesagt! Besonders gut gefällt mir das Ende, wo Theo ganz unaufgeregt erzählt, was diese Wörter bedeuten. Sein Papa liebt Männer? Klar, das hat er doch gewusst, was ist dabei?

Fazit: Ein Buch gegen Vorurteile für Kinder zwischen 5 und 10 Jahren.

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Anna Boulanger: Papa ist doch kein Außerirdischer! Aus dem Französischen von Anne Thomas. kunstanstifter 2016. 40 Seiten, Euro 20,00, ISBN 978-3-942795-43-2.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.