Das Leben einer schwarzen Tänzerin, die im Bananenrock auftrat – sollte das wirklich eine Inspiration für Kinder sein, ein Empowernment für Mädchen? Gerade der schreckliche Bananenrock hatte sich in meinem Gedächtnis eingegraben. Es stellte sich heraus, dass ich über Josephine Baker nicht viel wusste und ihr Leben und ihr Engagement viel inspirierender und vielschichtiger waren, als ich erwartet hatte.
Aus dem Slum auf die großen Bühnen
Als Josephine 1907 in Saint Louis geboren wurde, war nicht abzusehen, dass sie einmal die großen Bühnen der Welt erobern würde. Zwar steckte ihr das Talent zu Tanzen im Blut, doch ihre Familie war sehr arm und außerdem waren sie schwarz. Würde sie wie ihre Mutter ihren Lebensunterhalt mit Putzen verdienen müssen? Doch Josephine trat schon als früh mit einer Musikgruppe auf der Straße auf und fand schließlich schon als Jugendliche ihren Weg ins Varieté, das ausschließlich aus schwarzen Mitgliedern bestand. Auch als sie erste Erfolge in New York feierte, durfte sie weiter nur den Hintereingang benutzen und nicht zusammen mit den Gästen im Restaurant essen. Faktisch herrschte immer noch Rassentrennung. Schließlich bekam sie die Chance nach Paris zu gehen, wo sie berühmt wurde. Ihre Hautfarbe spielte keine Rolle, sie konnte in alle Cafés, Restaurants und Läden gehen. Als der Krieg ausbrach, beschloss sie, Frankreich zu unterstützen. Sie arbeitete als Spionin, schenkte Suppe an Arme aus und, da sie zwischenzeitlich ihren Pilotenschein gemacht hatte, flog sie Erste Hilfe nach Belgien.
„Frankreich hat mich groß gemacht. Ich gebe mein Leben für Frankreich.“
Später versuchte sie nochmals vergeblich, Erfolge in Amerika zu feiern. Doch sie gab nicht auf, sie kämpfte zeitlebens gegen Diskriminierung und adoptierte Kinder verschiedenster Hautfarben und Religionen, um mit ihrer Regenbogenfamilie ein Zeichen zu setzen. Schließlich versuchte sie es noch einmal in den USA, und dieses Mal wurde sie auch dort gefeiert.
Kämpfernatur
Josephine Baker liebte den Tanz. Sie konnte nicht anders. Sie hatte Rassenunruhen und Rassentrennung erlebt, erfahren, dass sie für die einen zu dunkel-, die anderen zu hellhäutig war – und war dann in Frankreich behandelt worden wie jeder andere auch, egal ob weiß oder schwarz. Aufgrund ihrer Erfahrungen setzte sich gegen Diskriminierung ein. Mit ihrer Familie wollte sie der Welt beweisen, dass Hautfarbe und Religion unwichtig sind.
Das Buch macht deutlich, aus welch schwierigen Verhältnissen sich Josephine Baker hochgearbeitet hat. Die Leserinnen und Leser lernen nicht nur ihre Lebensgeschichte kennen, sondern erfahren auch, wie die Segregation in den USA funktionierte, dass es Unruhen gab und schwarze Familien überfallen und verprügelt wurden, weil Gerüchte über sie in die Welt gesetzt wurden. Ähnlichkeiten zu manchen Ereignissen heute dürften den Kindern sicherlich auffallen.
Mehrmals kommt im Text das N-Wort vor. Darf man, sollte man, muss man dieses Wort noch verwenden? Ich gebe zu, dass ich bei der ersten Verwendung erst einmal geschluckt habe, zumal es keine Einordnung oder Erklärung dazu gibt. Es wird aber aus dem Text heraus sehr deutlich, dass dieses Wort abwertend und negativ ist, ansonsten wird im Text „schwarz“ oder „farbig“ verwendet. Ich gebe zu, dass mein Unwohlsein nicht ganz ausgeräumt wurde, aber ich denke, dass das Wort in diesem Zusammenhang, quasi als historisches Zitat, in Ordnung ist.*
Die Gestaltung mit verschiedenen Schriftgrößen und -Fettungen finde ich sehr gelungen, nur die altmodische Schreibschrift, die für Zitate verwendet wird, finde ich für Kinder schwierig zu lesen. Auch den Text finde ich für Achtjähige ziemlich anspruchsvoll, in diesem kurzen Abschnitt beispielsweise die Wörter außerehelich, ungestüm, Nickel, Spelunke, Ära:
Josephine –
arm geboren,
außerehelich
in der verrufenen Stadt –
dem ungestümen
SAINT LOUIS, Missouri –
Heimat von billigen Kneipen,
von Whisky für ’nen Nickel,
und Glücksspielspelunken –
Heimat des RAGTIME –
abgehackter schwarzer Musik –
Musik, um die Miete zu zahlen,
Musik, um die Laune zu heben,
Musik der GOLDENEN ÄRA.
Die recht schlicht mit Acrylfarben gestalteten Bilder schaffen es, den Schwung, die Bewegung und das Temperament Josephine Bakers zu vermitteln.
Fazit: Ein inspirierendes Buch, das nicht nur Wissen über das faszinierende Leben Josephine Bakers, sondern auch über ihre Zeit vermitteln. Aufgrund des teilweise recht anspruchsvollen Textes empfehle ich es nicht für Kinder ab 8, sondern eher ab 10 Jahren – oder man liest es vor, dann kann man auch gleich über problematische Stellen sprechen.
Patricia Hruby Powell, Christian Robinson: Josephine. Das Schillernde Leben von Josephine Baker. Aus dem amerikanischen Englisch von Alexandra Tietze-Grabec. E. A. Seemanns Bilderbande 2018. 104 Seiten, Euro 19,95, ISBN 978-3-86502404-6.
*Auf Instagram entspann sich eine kleine Diskussion. Mein Unwohlsein bezüglich der nicht eingeordneten Verwendung des N-Wortes wird nicht nur geteilt, sondern hat andere Buchblogger sogar dazu bewogen, dieses Buch gar nicht erst zu besprechen, da sie sie eben nicht in Ordnung finden, auch nicht als historisches Zitat. Eltern, die sehen, dass das Wort so ungeniert verwendet wird, könnten denken, dass es doch in Ordnung ist und den Kindern fehle, wie ich auch schon anmerkte, jeder Hinweis auf die Problematik.
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