Samia Yusuf Omar war eine junge Leichtathletin aus Somalia, die ihr Land bei den olympischen Spielen in Peking vertreten hat. Sie trug die Fahne ins Stadion und nahm am 200-Meter-Lauf teil. Zurück zu Hause wollte sie fleißig trainieren, um bei den Spielen in London besser abzuschneiden. Aber das war nicht so einfach. Das Stadion war zerbombt, sie musste immer den Löchern auf der Aschenbahn ausweichen. Niemand hatte eine Stoppuhr. Auch konnte sie sich nicht immer sattessen. Aber am schlimmsten war, dass die Milizen von der Al-Shabaab sie auf der Straße anhielten, weil sie in Peking ohne Kopftuch und in kurzen Hosen gelaufen war. Ja, dass sie als Frau überhaupt Sport machte, war für sie ein Verbrechen. Sie bedrohten Samia und ihre Familie. Da erzählte ihr eines Tages jemand, dass sie in Mogadischu trainieren könnte. Als das auch nicht klappte, beschloss sie, nach Europa zu flüchten, um dort für London trainieren zu können.
Samias Geschichte ist eine wahre Geschichte. Wann immer es ihr auf ihrer Flucht möglich war, postete sie Facebook-Nachrichten an ihre Fans. Sie erlebte viel Leid auf ihrer langen Flucht bis nach Libyen. Sie bestieg ein Boot, wie so viele andere, aber sie erreichte Europa niemals.
Die kurze Lebensgeschichte der Samia Yusuf Omar diente Reinhard Kleist als Grundlage für eine Graphic Novel. Er sprach mit Samias Schwester und einer befreundeten Journalistin. Es wird sehr deutlich, wie bedrückend und gefährlich das Leben in Somalia für die junge Sportlerin geworden war. Was ihr auf ihrer Flucht passiert ist, passiert täglich vielen anderen auch. Doch ist es für uns meist leichter, das Schicksal eines Menschen zu verstehen als das einer riesigen Menge von Menschen. Es ist einfach greifbarer. So kann Samias Geschichte beispielhaft für die Flucht vieler anderer stehen, Manche haben Glück und erreichen Europa, andere kommen auf der Flucht um, landen irgendwo im Gefängnis, werden missbraucht, misshandelt, verkauft.
Kleist gelingt es hervorragend, mittels seiner Bilder und mit wenigen Worten zu erklären, was warum passierte. Er hilft uns, Samias Leben, ihre verzweifelte Lage, ihre Fluchtgründe und ihre abenteuerliche Flucht zu verstehen. So viele sind auf der Flucht. So viele ertrinken im Mittelmeer. Kleist hat einer von ihnen ein Gesicht gegeben. Niemand gibt ohne Grund sein ganzes Leben auf.
Für Jugendliche ist das Buch besonders geeignet, weil die Geschichte eines Mädchens erzählt wird, das ihnen sehr ähnlich ist: Samia hat Wünsche und Träume, was ihre Zukunft angeht. Aber im Gegensatz zu den Lesern in Deutschland ist sie im falschen Land geboren, um sie zu verwirklichen. Ich finde außerdem, dass die Darstellung als Graphic Novel eine besondere Eindrücklichkeit entwickelt, die sicher Jugendliche besonders anspricht. Mir jedenfalls gingen die Bilder unter die Haut.
Für alle ab 14 Jahren, die sich mit dem schwierigen Thema Flucht befassen und es verstehen wollen.
Reinhard Kleist: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar. Carlsen 2015. 152 Seiten, Euro 17,90, ISBN 978-3-551-73639-0.
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