Literaturverfilmung: Nebel im August

Mit Gewinnspiel zur Verfilmung des Buches von Robert Domes 

Vom Planwagen ins NS-Erziehungsheim

Der vierjährige Erich liebt das freie Leben seiner Eltern. Sie reisen mit einem Planwagen umher, der Vater verkauft Schnürsenkel, Knöpfe und ähnliche Waren. Doch das Umhereisen ohne festen Wohnsitz ist 1934 bei den Behörden nicht gerne gesehen. Und so fährt die Familie zurück nach Augsburg und sucht sich eine Wohnung, damit das jüngste Kind dort geboren und eingetragen werden kann. Doch die Zustände in der Wohnung sind sehr schlecht, der Vater verdient kein Geld, die Mutter leidet an Lungentuberkulose und Ernst und seine drei kleinen Geschwister müssen hungern. Eines Tages, der Vater ist wieder einmal auf Reisen, werden die Kinder von der Fürsorge abgeholt. Die drei kleinen Geschwister kommen in ein Säuglingsheim und Ernst in ein Kinderheim – vermeintlich nur so lange, wie die Mutter im Krankenhaus ist. Im Heim herrschen strenge Sitten und Ernst lernt zu stehlen, um die Forderungen der älteren Jungs zu erfüllen. Weil ihm das nicht abzugewöhnen ist, kommt er zuerst in ein nationalsozialistisches Erziehungsheim, danach in eine Heil- und Pflegeanstalt für körperlich und geistig Behinderte in Kaufbeuren und schließlich in eine Nebenstelle, wo die schlimmsten Fälle untergebracht sind, obwohl er völlig gesund ist. Er wird als Asozial und als Zigeuner kategoriesiert, wogegen er sich wehrt, da er ein Jenischer ist. Im Alter von knapp 15 Jahren wird er im Rahmen des Euthanasieprogramms getötet.

Ernst Lossa (Ivo Pietzcker, links) mit Christian Lossa (Karl Markovics, rechts)

Ernst Lossa (Ivo Pietzcker, links) mit Christian Lossa (Karl Markovics, rechts)

Eine wahre Geschichte

Ernst Lossa hat es wirklich gegeben. Seine Geschichte wurde, vor allem anhand alter Akten, rekonstruiert. Sie wird aus seiner Sicht erzählt, weshalb man als Leser sehr schnell eine Beziehung zu dem Jungen aufbaut und sich gut in ihn hineinversetzen kann. Ich habe ihn ins Herz geschlossen, obwohl ich den Ärger, den seine Handlungen bei den Heimverantwortlichen auslösen, verstehen kann. Nicht nachvollziehbar sind aber aus heutiger Sicht die völlig überzogenen Reaktionen, die letztlich nur darauf hinauslaufen, den „Zigeuner“ und Asozialen loszuwerden, obwohl es viele Menschen gibt, die den Jungen mögen.

Normal – Ernst spuckt von seinem Hochsitz runter. Ist vielleicht der Faltlhauser normal? Der den Kindern über den Kopf streichelt und sogar mit ihnen spielt und ihnen hinterher eine Spritze geben lässt. Oder dieser lächerliche Frick, der in seiner Uniform durch die Anstalt stelzt und die Küchenschwestern anscheißt, weil sie Knochen in die Wassersuppe tun. Und dem es nichts ausmacht, dass auf den Stationen die Leute halb verhungern und bei den Nonnen um einen Kanten Brot betteln. Oder der Heichele, der heimlich Tabletten in Himbeerwasser auflöst und den Kindern zu trinken gibt. Oder die Pauline, die immer so süßlich tut und nachts die Frauen auf ihrer Station totspritzt.

Das Schicksal eines jenischen Jungens

Erichs Bericht macht nicht nur die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Systems sehr deutlich, sondern auch das Unverständnis des kleinen Jungens mit den Dingen, die ihm passieren. Jahrelang hofft er darauf, dass seine Eltern bzw. sein Vater ihn aus dem Waisenhaus herausholen. Er möchte nichts weiter, als wieder frei über das Land zu ziehen wie früher. Obwohl er hört, dass die Nazis Landfahrer nicht mögen, versteht er nicht die Tragweite davon. Ernst kämpft sich durchs Leben, aber er kann es nicht lassen zu stehlen oder zu protestieren, wenn er wieder einmal als Zigeuner bezeichnet wird. Er bekommt keine Liebe, hat keinen Besitz, aber er schnappt sich alles, was er in die Finger bekommt, versteckt die Sachen und schaut sie sich immer wieder an.

Das Buch geht unter die Haut, und ich bin mir sicher, dass das der Film, der am 29. September anläuft, die gleiche Wirkung haben wird. Der Trailer jedenfalls berührt mich sehr.

Buch und Film arbeiten ein Kapitel der deutschen Geschichte auf, das bisher wenig beachtet wurde: den Umgang der Nationalsozialisten mit Sinti, Roma und Jenischen. Gleichzeitig erfährt man aber auch viel über den Umgang mit körperlich oder geistig Behinderten, wozu die Nationalsozialisten alle zählten, die irgendwie von der Norm abweichen, und das Euthanasieprogramm. So durfte für das Essen der nicht mehr Arbeitsfähigen keinerlei Fett verwendet werden, sodass diese nach und nach verhungerten. Ärzte, Pfleger und Schwestern, die doch eigentlich Kranken helfen sollten, machten sich zum Handlanger des Staates und töteten.

In einem Nachwort erklärt der Autor, wie er an die Informationen gekommen ist, die diesem Buch und somit auch dem Film zugrundeliegen. Eine Zeittafel listet alle wichtigen Ereignisse aus Ernsts Leben auf und stellt sie den historisch wichtigen Daten gegenüber. In einem Glossar werden jenische Wörter und nationalsozialistische und andere schwierige Begriffe erklärt.

Das Buch Nebel im August ist ab 12, der Film ebenfalls ab 12 Jahren freigegeben. Sicherlich keine leichte Kost, aber, da hier Geschichte am Schicksal eines Jungen geschildert wird, eine gute Methode, die Grausamkeiten des nationalsozialistischen Staats deutlich zu machen.

GEWINNSPIEL:
Nebel im August läuft am 29. September an. Ich verlose 2 Freikarten und ein Exemplar des Filmbuchs.
Dafür mir mir bitte in den Kommentaren bis zum 28.09. um Mitternacht ein jenisches Wort mit seiner Übersetzung ins Deutsche (Tante Google hilft). Und bitte nicht alle dasselbe 😉

Am 29.09. gebe ich die Gewinnerinnen und Gewinner bekannt.
Viel Glück!

cover_domes_nebel-im-august

Robert Domes: Nebel im August. Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa. Mit zahlreichen farbigen Filmfotos. cbj 2016. 352 Seiten, Euro 9,99, ISBN 978-3570403280

Zur Verlagsseite – bei Amazon – über Buchhandel.de – in jeder Buchhandlung – weitere Informationen zum Film

Filmcast: Ivo Pietzcker (“Jack”) als Ernst Lossa, Sebastian Koch (“Das Leben der Anderen”), Thomas Schubert (“Atmen”), Fritzi Haberlandt (“Die Libelle und das Nashorn”), Henriette Confurius (“Die geliebten Schwestern”), Branko Samarovski (“Das weiße Band”), David Bennent (“Michael Kohlhaas”, “Die Blechtrommel”), Jule Hermann (“Till Eulenspiegel”) und Karl Markovics (“Die Fälscher”).

Regie: Kai Wessel, Drehbuch: Holger Karsten Schmidt, Kamera: Hagen Bogdanski, Produktion: Ulrich Limmer

Ab 29. September im Kino.

5 Kommentare zu “Literaturverfilmung: Nebel im August

  1. Pingback: Nebel im August – Verlosung – Kinderohren

  2. Hallo,

    dein Beitrag weckt großes Interesse an der Verfilmung und der Buchvorlage, da versuche ich doch gerne mein Glück bei der Verlosung.
    Tschabo heißt Kind.

    Viele Grüße Anette

  3. Hallo,

    der Film klingt sehr interessant und ich würde gerne mein Glück versuchen 😉
    Das Wort “achle” bedeutet “essen” 😉

    LG

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