Anke Girod: Junis Reise

Ein verrückter Koffer

Am Ufer der Elbe finden Juni und ihr Freund Will einen Koffer. Darin wohnt Miss Pabs zusammen mit ihren dressierten Mäusen. Juni und Will sind verblüfft: Außerhalb des Koffers ist Miss Pabs normal groß, aber irgendwie passt sie doch mitsamt komplettem Haushalt in den Koffer. Auch sie dürfen hineinsteigen und sind fasziniert, denn der Koffer ist auch ein Fortbewegungsmittel, das allerdings nur noch auf dem Wasser funktioniert. Das ist unwirklich und wundervoll.
Frau Pabs hat eine merkwürdige Fähigkeit, die auf dem Wehwehchen-Code beruht: Sie kann mit ihren Verwandten durch Körpersignale kommunizieren.

Mit bärentiefer Stimme sprach Miss Pabs weiter: „Also, jedenfalls kann ich mit meinem Körper Botschaften meiner Verwandten empfangen. Ich selber sende an sie per Augenzucken. Wenn zum Beispiel mein Vetter Arthur aus Indien mir etwas sagen will, dann zwickt es in meiner Nase. Das kann ich dann in Wörter übersetzen. Auch wenn Vetterchen manchmal jegliche Regeln der Höflichkeit vergisst und wie ein Wasserfall losquasselt. Das gibt natürlich mehr als ein Zwicken in der Nase. Das ist das schon eine Nasenerschütterung.

Doch Miss Pabs ist in Gefahr: Geheimnisvolle Männer, vermeintliche Inder, wollen Genmaterial der Familie sammeln, um ein Mittel herzustellen, mit dem man die Menschheit über Schmerzen kontrollieren kann. Das muss natürlich verhindert werden. Um schnell ein Gegenmittel herzustellen und patentieren zu lassen, werden Haare von fünf Familienmitgliedern benötigt. Diese leben leider in aller Welt verstreut. Deswegen braucht sie die Hilfe der beiden Kinder.

Eine aufregende Reise

Mithilfe von Frau Pabs Koffer reisen diese, Juni und Will um die Welt – koffern nennen sie das. Juni sieht ungewöhnlich gut, Will hat ein außergewöhnliches Gehört. Beides ist auf dieser ungewöhnlichen Reise sehr hilfreich. Mit der Zeit bekommen die Kinder heraus, dass Frau Pabs eine traurige Geschichte vor ihnen verbirgt. Auch da wollen sie helfen.

Juni ist ohnehin sehr abenteuerlustig. Sie möchte Reisejournalistin werden und betreibt zu Übungszwecken ein Blog, auf dem sie aber bisher nur von einem missglückten Harzausflug mit ihrer Tante berichten konnte. Deswegen findet sie es toll, dass sie nun endlich etwas erlebt. Und richtig, prompt geht es mit ihrem Blog aufwärts. Immer mit dabei ist ihr Chinchilla Krauta von Schniffel. Juni hat besonders gute Augen, was sich beispielsweise darin äußert, dass sie viele unterschiedliche Farben in den Wellen entdeckt, denen sie auf den langen Kofferreisen Namen gibt.

Will dagegen ist eher zurückhaltend und möchte keinesfalls im Mittelpunkt stehen. Er äußert immer wieder Bedenken, findet die Reisepläne zu riskant, doch Juni schafft es, ihn zu überzeugen. Und wenn es darauf ankommt, ist auf ihn absoluter Verlass. Er hat ein fantastisches Gehör, weshalb er gleich merkt, wenn das Wasser weniger tief ist oder ein Hindernis naht.

Miss Pabs ist schon ein wenig ungewöhnlich. Will steht ihr daher erst skeptisch gegenüber, doch mit der Zeit schließt er sie auch ins Herz – und dem Leser geht es ähnlich, man kann einfach nicht anders.

Haare, verzweifelt gesucht

Auf der Suche nach Haaren von Frau Pabs Verwandten stehen die drei ziemlich unter Druck. Immer wieder kommen ihnen die vermeintlichen Inder in die Quere und nicht alle Verwandten sind so einsichtig, Abstand vor ihnen zu halten. So kommt es zu einigen wilden Verfolgungsjagden. Die ziemlich skurrile Geschichte ist sehr temporeich, für Langeweile ist gar keine Zeit. Manchmal ging es allerdings zu schnell. Warum jemand denkt sich, mithilfe des Erbmaterials der Familie die Welt untertan machen und viele Menschen quälen zu können, wurde mir nicht klar. Denn wie käme dieser genetische Code in die anderen Menschen? Doch letztlich war diese Verständnislücke (vielleicht habe ich auch einfach an der entscheidenden Stelle nicht genug aufgepasst) nicht so schlimm. Auf der abenteuerlichen Reise passieren so viele lustige und spannende Dinge, Will und Juni lernen die netten, aber ebenfalls ungewöhnlichen Verwandten von Miss Pabs kennen, helfen bei der Rettung des Familienmuseums und schaffen es am Ende noch, ein großes Rätsel zu lösen und alles zu einem guten Abschluss zu bringen.

Das ist alles sehr humorvoll und fantasiereich geschildert, ich habe ziemlich oft über die ungewöhnlichen Einfälle gestaunt. Gelegentliche Blogbeiträge Junis lockern den Text auf. Nur den Titel finde ich etwas unpassend. Auch wenn Juni die Reisebloggerin ist, ist es ja nicht nur ihre Reise.

Sympathische Protagonisten, ein edles Ziel (genaugenommen sind es sogar mehrere gute Ziele), eine aufregende Reise mit einem sehr ungewöhnlichen Gefährt – das Buch hat alles, was ein Kinderbuch braucht.

Fazit: Fantasievolle Reiseerlebnisse zweier Kinder, die dank eines schwimmenden Koffers die Welt retten können. Leserinnen und Leser von 10 bis 12 Jahren werden ihren Spaß an der ungewöhnlichen Geschichte haben.

Anne Girod: Junis Reise oder wie Miss Pabs das Glück vergaß. Oetinger 34 2017. 280 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-95882-039-5.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.