Umzug aufs Land
Die sechs Geschwister der Familie sind sehr traurig. Ihre Mutter ist schwer krank, weswegen der Vater beschlossen hat, sich mit ihr auf die weite Reise von Neuseeland nach England zu begeben. Doch was soll solange mit den Kindern geschehen? Schließlich bieten Onkel John, Onkel Steven und Onkel Dan an, dass alle sechs bei ihnen auf ihrer Farm Kamahi leben können. Kathie, mit 19 die Älteste, soll den jüngeren Geschwistern Unterricht geben. Rob, 16, der eigentlich Anwalt werden möchte, aber von der Schule geflogen ist, weil er Unfug gemacht hat, soll auf der Farm arbeiten. Erzählt wird die Geschichte von der zwölfjährigen Ngaire.
Das Leben auf der Farm ist zunächst nicht einfach für die Kinder. Die Onkels sind streng, alle außer Kathie und Rob werden wie Kinder behandelt, was vor allem die vierzehnjährige Jeannette (Jan) beleidigt. Rob erledigt die harte Arbeit nur mit Widerwillen, Kathie ist der Mitarbeit im Haushalt und dem Unterricht nicht wirklich gewachsen. Die jüngeren Kinder stellen sehr viel an, vor allem die Jüngsten, Jock und Pipi. Dabei bringen sie ihr Leben in Gefahr und sogar die ganze Farm, als sie ein Feuer auslösen. Alle sind wirklich dickköpfig und machen den Onkels das Leben schwer.
„Kleine Strolche!“, sagte Onkel John und das Blut gefror uns in den Adern. Es klang wie: „Die werden schon sehen, was ihnen noch blüht.“ Obgleich er es nicht aussprach, schwang diese Drohung eindeutig in seiner Stimme mit. Er wandte sich zum Gehen, und Jan schlich auf Zehenspitzen zu einem Stuhl, als sie auf einem Läufer ausrutschte, durch den halben Raum schlitterte, taumelte, gegen Onkel John krachte und ihn zu Boden riss. Sie selbst landete mit dem Hintern direkt auf Onkel Johns Kopf und war darüber so entsetzt, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Ihre lieben kleinen Schwestern schliefen derweilen tief und fest.
Doch mit der Zeit finden sie heraus, dass die Onkels gar nicht so schlimm sind, sondern sie alle von Herzen gern haben. Schließlich gewöhnen sie sich an das Leben auf dem Land und sind sogar ein bisschen traurig, als die Eltern nach einem Jahr auf dem Heimweg sind. Doch dann wird in den Zeitungen berichtet, dass das Schiff nach einem Sturm vermisst wird …
Sechs wilde Kinder
Aus der Sicht der zwölfjährigen Ngaire – was ebenso wie Pipi ein Maoriname ist – wird von dem aufregenden Jahr auf der Schaffarm Kamahi berichtet. Allein die lange Reise von Auckland auf der Nordinsel auf die Südinsel ist für die Kinder ein Abenteuer. Und dann das zuerst sehr ungewohnte Leben auf der Farm. Die Stadtkinder kennen die Risiken der Natur nicht, weshalb sie immer wieder in Gefahr geraten. Außerdem haben alle sechs einen sehr starken Willen. Rob verweigert sich der Arbeit auf der Farm, Kathie zeigt kein besonderes Talent zur Lehrerin, Jan ist permanent beleidigt, dass sie wie ein Kind behandelt wird. So muss sie mit den jüngeren Geschwistern im Kinderzimmer, der Nursery essen. Dabei vergisst sie, dass auch ihr Benehmen dafür verantwortlich ist. Ngaire, Jock und Pipi setzen sich ständig über Regeln hinweg, haben wenig Lust zu lernen. Mit ihrem engelsgleichen Aussehen gewinnt Pipi jedoch schnell das Herz des einen Onkels, obwohl ein kleiner Teufel in ihr steckt. Der andere Onkel macht es sich zur Aufgabe, Jan zur jungen Dame zu erziehen. Das ist gar nicht so einfach.
Überhaupt, die drei Onkels. Mir taten sie ein bisschen leid. Aus Erwachsenensicht sind die Kinder einfach nur unmöglich, auch wenn sie meist nur aus Gedankenlosigkeit handeln, nicht aus bösem Willen. Wie es ihnen gelingt, nicht zu sehr die Nerven zu verlieren und die sechs Rabauken zwar mit vordergründiger Strenge, aber tatsächlich mit viel Liebe zu erziehen, ist beeindruckend. Ich mochte sie am Ende sehr gerne.
Neuseeländischer Klassiker
Das Buch, 1917 erstmals erschienen, ist ein neuseeländischer Klassiker. Für Kinder in Deutschland ist alles ungewöhnlich: Das Leben zu dieser Zeit ebenso wie das Leben auf einer Schaffarm. Man muss allerdings feststellen, dass dort von den strengen Regeln, denen Kinder zu dieser Zeit in Europa unterlagen, vergleichsweise wenig zu spüren ist. Die Onkels lassen den Kindern viele Freiheiten, die jüngeren toben herum, machen sich dreckig, zerreißen ihre Kleider und erleben zahlreiche Abenteuer, die mitzuerleben spannend ist. Die Farm wird von Hochwasser umgeben, Buschfeuer brechen aus, jemand läuft weg, das Baden im Fluss ist lebensgefährlich, auf einer verlassenen Nachbarfarm soll es spuken, Ngaire macht einen Ausflug nach Christchurch, es gibt Schwierigkeiten mit einem Maori, Nachbarn kommen zu Besuch – es ist mehr los, als man erwartet hätte.
Die Geschwister sind alle sehr individuelle Charaktere. In der Fremde halten sie natürlich zusammen und meistens haben sie sich gerne, aber natürlich kommt es auch zu Streitigkeiten. Kathie muss sich mehr als einmal für die Kleinen, die eigentlich nicht klein sein wollen, schämen.
Die Erzählweise ist anfangs ein bisschen behäbig. Ngaire stellt erst einmal alle Handelnden vor, was praktisch wäre, sollte man mal vergessen, wer wer ist. Dann kommen die Vorgeschichte mit der Krankheit der Mutter und der Suche nach einer Unterbringung für die sechs und die Reise, bevor sie endlich auf der Farm ankommen und das Abenteuer beginnt. Die Schilderung aus Ngaires Sicht finde ich hier sehr gelungen. Man spürt regelrecht, wie unsicher sich alle beim ersten gemeinsamen Abendessen fühlen, bei dem sie guten Eindruck machen wollen, was aber fürchterlich danebengeht. Man empfindet den anfänglichen Widerwillen gegen die Onkels mit und erlebt auch Ngaires Staunen, als sie bei den zahlreichen Zwischenfällen immer wieder erkennen muss, wie gerecht und gütig die Onkels sind. Sie hat einen scharfen Blick und eine spitze Zunge, die Fehler ihrer Geschwister bleiben ihr nicht verborgen, aber sie ist auch sehr neugierig. Insgesamt ist die Geschichte recht lustig, hat aber auch viele spannende Momente. Mich hat erstaunt, wie wenig verstaubt sie wirkt, sowohl von der Erzählweise als auch von der Handlung her.
Fazit: Sechs Geschwister aus der Stadt erleben ein aufregendes Jahr auf einer neuseeländischen Schaffarm. Spannende und lustige Episoden mit einem gewissen nostalgischen Charme für Kinder von 9 bis 12 Jahren.
Esther Glen: Wir sechs aus Neuseeland. Aus dem Englischen von Tatjana Kröll. Rieder 2018. 224 Seiten, Euro 10,00, ISBN 978-3-941172-86-9.
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