Die Zwillinge Carlotta und Henri wohnen gleich neben ihrer Tante Uli, die so ganz anders als ihre Mutter ist. Bei ihr dürfen sie viele Dinge, die daheim verboten sind, deswegen gehen sie besonders gerne zu ihr. Tante Uli ist nicht verheiratet und hat ständig neue Freunde, sodass man kaum mit dem Namenlernen hinterher kommt. Doch dann passiert es: Tante Uli verliebt sich und ist nach Monaten immer noch mit Mario zusammen. Dann merkt Carlotta, dass die Erwachsenen zu tuscheln anfangen und sich Tante Ulis Bauch rundet. Schließlich erfahren die Kinder es ganz offiziell: Tante Uli bekommt ein Kind! Da sie nicht so genau wissen, wie das mit dem Kinderkriegen funktioniert, fragen sie Tante Uli einfach, die es ihnen gut und gründlich erklärt. Nun heißt es warten …
Die Aufklärung ist in diesem Buch in eine lustige Geschichte eingebaut. Carlotta erzählt aus ihrer Sicht die Ereignisse rund um die Schwangerschaft ihrer Tante und gibt auch in ihren Worten wieder, wie sie die das mit dem Sex und dem Kinderkriegen verstanden hat (aber natürlich korrekt). Zwischendurch steht dann auch mal etwas wie: „NICHT lachen, hab ich gesagt!“ Eine gewisse Peinlichkeit, die aufkommen könnte, wird also gleich thematisiert. Dazu kommen dann ganz kindliche Gedanken, zum Beispiel, warum der Mutterkuchen so heißt. Schließlich hat doch Papa mal gesagt, Kuchen habe keine Vitamine und überhaupt fänden die beiden „Mutterpizza“ oder „Mutterburger“ viel witziger. Aber obwohl es viel zum Lachen oder Schmunzeln gibt, kommt nie das Gefühl auf, hier würde etwas ins Lächerliche gezogen.
Denn das ist eigentlich nicht lustig, sondern sehr schön. Das weiß man aber erst, wenn man erwachsen ist. Damit das mit dem Samen und dem Ei klappt, muss man Sex haben.
Dabei entsteht ein ganz schönes Gefühl. Das ist aufregend und kribbelig und dann wird der Penis …
NICHT lachen, hab ich gesagt!!!
… ganz groß und hart.
Viele Zeichnungen, auch mit Elementen der Collage, illustrieren Carlottas Bericht und auch die Aufklärung. Man sieht alles, was wichtig ist, ohne dass es zu explizit würde. Den erigierten Penis beispielsweise sieht man nur als Kreidezeichnung auf einer Tafel, als Mario auf Tante Uli im Bett liegt, sind sie zugedeckt und der Moment, in dem das Baby geboren wird, sieht man in einer Strichzeichnung. Die Sprache ist kindlich angemessen, die Fachbegriffe werden verwendet, aber man redet nicht um den heißen Brei herum:
SEX: Manche sagen auch Liebe machen, zusammen schlafen, vögeln, poppen und andere merkwürdige Wörter …
Was mir nicht so gut gefällt, ist der Titel: „… und vermehrt sich“ empfinde ich als zu „technisch“, das wirkt auf mich kalt und distanziert. Aber das ist auch meine einzige Kritik. Gut gefällt mir auch, dass hier mal kein Geschwisterchen auf die Welt kommt. Dazu gibt es viele Bücher, aber viel öfter wird es doch vorkommen, dass in der Nachbarschaft, im Bekannten- oder Verwandtenkreis jemand schwanger wird und das Kind seine Fragen ganz unabhängig von einer anstehenden Veränderung in der Familie hat.
Lustiges, aber dennoch respektvolles Aufklärungsbuch für Grundschulkinder. Sehr gelungen!
Anette Beckmann, Marion Goedelt: Carlotta, Henri und das Leben. Tante Uli ist verliebt und vermehrt sich. Aufgeklärt!?, Tulipan 2016. 64 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3-86429-291-0.
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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.