Bette Westera, Sylvia Weve: Überall & Nirgends

Gedichte über den Tod – für Kinder?

Was würde es bedeuten, wenn man niemals sterben würde? Tröstet einen der Gedanke an ein neues Tier, wenn das geliebte Haustier gestorben ist? In welchen Momenten fehlt die verstorbene Oma oder Freundin? Warum sterben in diesem Haus auf dem Schulweg (einem Hospiz) so viele Leute?

(…)
Die Stunden werden Tage ohne dich.
Schalke kassiert ’ne Niederlage ohne dich.
Die Leute essen Brötchen ohne dich.
Sie fahren mit dem Bötchen ohne dich.
(…)

Mit solchen und ähnlichen Gedanken rund um den Tod und das Sterben beschäftigen sich die Gedichte in diesem Buch. Nicht alle sind traurig oder melancholisch, wie man es erwarten könnte, manche betrachten das Thema auch mit einem Augenzwinkern wie einige Grabinschriften oder kindliche Gedanken.

Opa ist tot, seit drei Wochen nur.
Natürlich finde ich das schlimm.
Doch jetzt habe ich seine Taschenuhr
und noch andere Sachen von ihm.

Einige der Gedichte befassen sich damit, wie in anderen Kulturen getrauert wird, was auch in einem Abschnitt des abschließenden Glossars aufgegriffen wird. Außerdem wird dort auch erklärt, was sterben eigentlich ist, was ein Hospiz, eine Nahtoderfahrung, Feuerbestattung oder Sterbehilfe usw.

Gedichte über den Tod – für Kinder!

Im ersten Moment habe ich mich auch gefragt, ob das wirklich eine gute Lektüre für Kinder ist: haufenweise Gedichte über den Tod und das Sterben. Ist das nicht ein bisschen morbide? Aber nachdem ich dieses Buch gelesen habe, finde ich das nicht mehr. Auch wenn der Tod in unserer Gesellschaft oft tabuisiert wird und gerade Kindern gegenüber vieles totgeschwiegen (!) wird – oder gerade deswegen – ist es wichtig, ihre Fragen zu klären. Sie brauchen eine Möglichkeit, sich mit den Thema auseinanderzusetzen. Und früher oder später wird jedes Kind damit konfrontiert, ob nun ein Angehöriger stirbt, ein Haustier, ein Klassenkamerad oder jemand in der Nachbarschaft, den sie nur flüchtig gekannt haben.

Die Gedichte sind teilweise sehr berührend, andere bringen einen zum Schmunzeln und viele zum Nachdenken. Die Sprache ist kindgerecht einfach und doch ausdrucksstark. Und, was bei Lyrik ja besonders schwierig ist, man merkt nicht, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Das Glossar gefällt mir sehr gut. Vieles, was Kinder  gerne rund um den Tod wissen möchten (und was Erwachsenen zu erklären schwerfällt), wird hier sachlich und gut verständlich erklärt.
Auch optisch ist das Buch sehr ansprechend, die Bilder sind sehr unterschiedlich, oft in Pastellfarben, blass, teilweise nur aus wenigen Strichen bestehend. Viele Seiten sind kürzer, sodass Bilder teilweise überlappen und interessante Effekte entstehen. Die Leinenbindung und zwei Lesebändchen zeigen, wie hochwertig das Buch gestaltet ist.

Fazit: Ein wunderbares Buch für Kinder ab 8 Jahren, die das Bedürfnis verspüren, sich mit dem Thema Tod zu befassen. Sie sollten allerdings immer einen Ansprechpartner haben, falls sie etwas nicht verstehen oder Redebedarf haben.

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Bette Westara, Sylvia Weve: Überall & Nirgends. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Rieder 2016. 112 Seiten, Euro 25, ISBN 978-3-94610-009-6

Zur Verlagsseite – bei Amazon – über Buchhandel.de – und in jeder Buchhandlung.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.