Thomas Mendl: Herr der Krähenmänner

Leon lebt in einem ungewöhnlichen Dorf mit ungewöhnlichen Bewohnern. Auf Valmot liegt eine Art Fluch: Jeder, der das Dorf besucht, muss kurz darauf sterben. Und niemand wird älter. So lange Leon denken kann, hat er wieder und wieder seinen 12. Geburtstag gefeiert. Seit Jahren ist niemand von außerhalb mehr in das Dorf gekommen und Enrico ist der Einzige, der es ab und zu verlässt, um in der Stadt Besorgungen zu machen. Dafür wurde er ausgewählt, weil er sich so gut verkleiden kann. Doch nun passieren merkwürdige Dinge: Hier verschwinden ein paar Dachziegel, dort der Rand der Brunneneinfassung und an anderer Stelle ein paar Pflastersteine. Zu viel, dass Enrico es alleine ersetzen könnte. Also behauptet Leon, dass er die Erlaubnis seiner Mutter habe und bricht mit Enrico in die Stadt auf. Er freut sich auf ein kleines Abenteuer. Doch als Enrico von den geheimnisvollen Krähenmännern entführt und er selbst von ihnen verfolgt wird, hat er schnell mehr Aufregung, als ihm lieb ist. Sein Dorf und alle seine Bewohner schweben in großer Gefahr. Zusammen mit seinem Freund Fliege und Marietta, die sie in der Stadt kennengelernt haben, versuchen sie, alle zu retten. Dabei erfahren sie unglaubliche Dinge über die Geschichte des Dorfes und auch ihre eigene Identität …

Es handelt sich hier um eine recht ungewöhnliche und ziemlich düstere Geschichte. Alles, was mit Valmot zu tun hat, klingt irgendwie verwunschen. Warum das so ist, stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus. Leon, Fliege und Marietta haben es mit mächtigen Gegnern zu tun, den Krähenmännern. Viel mächtiger ist jedoch deren Herr. Als die drei seine Identität erfahren, halten sie es erst einmal für unmöglich, dass sie gegen ihn bestehen können. Doch um der Menschen willen, die sie lieben, lassen sie sich einiges einfallen und gehen zahlreiche Wagnisse ein.

Die Protagonisten sind sehr gut herausgearbeitet: der abenteuerlustige, aber auch nachdenkliche Leon, Fliege mit dem hervorragenden Gedächtnis und der Höhenangst, Marietta, die sich nichts verbieten lässt und wundervoll zeichnen kann, die ehemaligen Artisten, Philippe Noel, der im Sterben liegt und für vieles verantwortlich ist und sogar der Herr der Krähenmänner, der doch nur seine Arbeit erledigt. Sie alle sind glaubwürdig geschildert. Bei den Kindern gefällt es mir besonders gut, dass sie zwar einige Male über sich selbst herauswachsen, es aber auch Aufgaben gibt, denen sie sich nicht gewachsen sehen und denen sie sich verweigern. Es sind also (scheinbar) ganz normale Zwölfjährige, keine Übermenschen mit unnatürlichen Fähigkeiten.

Die Handlung habe ich als sehr spannend empfunden. Die Geschichte beginnt im Dorfidyll, doch sehr schnell erscheinen die ersten Schatten, es passieren schlimme Dinge, das Tempo steigert sich, weil die Zeit begrenzt wird, bis alles einen atemlosen Charakter annimmt. Ich finde die Geschichte sehr originell, ich konnte wenig vorausahnen und auch das Ende war nicht so, wie ich es erwartet hätte.

Es gab kleinere Dinge, über die ich gestolpert bin. Wie in vielen Romanen ist es auch hier anscheinend kein Problem, dass manche Personen tagelang nichts essen oder trinken. Und warum sich Enrico jedes Mal aufwendig verkleiden muss, bevor er in die Stadt fährt, damit man ihn nicht wiedererkennt, er dann aber mit einem auffälligen Zirkuswagen fährt, hat sich mir auch nicht erschlossen. Aber ansonsten hat mir das Buch sehr gut gefallen, allerdings im Gegensatz zu meinem 15-jährigen Sohn, der es nicht zu Ende gelesen hat. Ich vermute mal, dass es einfach nicht in sein Lese-Beuteschema passt.

Für alle von etwa 11 bis 14 Jahren, die etwas düstere, mysteriöse und geheimnisvolle Geschichten lieben.

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Thomas Mendl: Herr der Krähenmänner. Oetinger 2015. 336 Seiten. Euro 14,99, ISBN 978-3-7891-4277-2.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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