Andrea Behnke: Und was passiert dann? Geschichten erfinden mit Kindern

„Papa, erzählst du mir was von früher?“, fragte ich als Kind bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Ich liebte es, wenn mir mein Vater Geschichten aus seiner Kindheit erzählte und hätte ihm stundenlang zuhören können. Trotzdem habe ich meinen Kindern nur selten frei erzählt. Stattdessen habe ich wahnsinnig viel vorgelesen. Frei zu erzählen, das habe ich mich nie getraut. Schade eigentlich. Ich bin mir aber sicher, dass es vielen so geht. Dabei ist es gar nicht so schwer, frei Geschichten zu erzählen bzw. die Kinder zum Fabulieren zu bringen.

Andrea Behnke stellt in ihrem Buch, das sich vor allem an Erzieherinnen richtet, zahlreiche Techniken vor, wie man zusammen mit Kindern Geschichten erfinden kann. Eigentlich ist es ganz einfach, man muss nur darauf kommen. Einige Beispiele: Ständig sammeln Kinder alles Mögliche, vom glitzernden Bonbonpapier über den „Edelstein“ bis zur Kastanie. Man bittet sie, ihre Taschen zu leeren und bastelt eine Geschichte rund um die Fundstücke. Oder man pflückt beim Spaziergang imaginäre Päckchen von einem Baum, öffnet sie gemächlich, findet ein imaginäres Buch und fragt die Kinder nach dem Titel. Und schon hat man den Anfang einer Geschichte, die man unterwegs weiterspinnen kann … Einige Methoden eignen sich eher für den Stuhlkreis, andere für kürzere Wartezeiten, zum Beispiel an der Bushaltestelle, und wieder andere, beispielsweise die Schatzsuche, für unterwegs.

Das Buch beginnt mit ein wenig theoretischem Hintergrund zum Erzählen, zum Aufbau einer Geschichte und Tipps, wie man eine angenehme Erzählatmosphäre schaffen kann. Da viele potenzielle Geschichtenerzähler zunächst etwas Scheu vor dem freien Erfinden und vor allem vor dem Hängenbleiben haben, folgt als nächstes ein Abschnitt mit Spielen, die in das freie Erzählen einführen. Auch im nächsten Kapitel dürfen sich die zukünftigen Erzähler noch an einer Vorlage festhalten, nämlich an Bildern und Bilderbüchern. Dann wird es ernst: Erste eigene Geschichten entstehen! Quatschnamen oder wild gesammelte Gegenstände geben die Anregungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in einer größeren Kindergruppe immer jemandem einfällt,  wie es weitergehen oder wie der nächste Gegenstand eingebunden werden kann. Im folgenden Abschnitt geht es in Richtung Schauspiel: Handpuppen, Improvisationstheater oder Pantomime bringen die Fantasie zum Brodeln. Danach geht es um Geschichten in Bewegung, Geschichten aus dem Leben und Geschichten draußen erzählen. Der letzte Teil gibt schließlich Tipps, wie das Erzählen einen festen Platz im Kindergartenalltag finden kann und schlägt eine Brücke zum Schreiben.

Leider hatte ich gerade keine Kinder im Vorschulalter „zur Hand“, als ich den Ratgeber fertig gelesen hatte – zu gerne hätte ich gleich mit dem Ausprobieren begonnen. Auf jeden Fall werde ich mir ein Kamishibai basteln, bevor ich das nächste Mal meine Kindergruppe leite. Was das ist? Eine Mischung aus Bilderrahmen und Theaterkulisse. Auch viele andere Anregungen werden mir in der Gruppe helfen, auch wenn es keine Kindergartenkinder, sondern Grundschüler sind. Ich finde aber, dass man die meisten Vorschläge problemlos (ggf. leicht abgewandelt) auch bei Älteren ausprobieren kann.

Auch wenn das Buch sich vor allem an Erzieherinnen richtet, eignet es sich auch wunderbar für Leiter von Kindergruppen und Eltern, die mit ihren Kindern Geschichten erfinden wollen.

Über die Autorin: Andrea Behnke ist freie Journalistin, Autorin für Kinder-, Jugend- und Bildungsmedien sowie Schreib- und Lesepädagogin. Mehr zu ihr gibt es hier.

Andrea Behnke: Und was passiert dann? Geschichten erfinden mit Kindern. Fragen, Erzählen, Fabulieren in der Kita. Herder 2012. 96 Seiten, Euro 19,95, ISBN 978-3-451-32440-6. Illustrationen: Beate Mizdalski.