Ich habe ein Buch gelesen. Es handelt von einem Mädchen namens Hazel, das Krebs hat. Das Buch hat 288 Seiten, bestimmt 100 davon habe ich Rotz und Wasser geheult. Es ist also ein sehr anstrengendes Buch. Und trotzdem ist es gut. Sehr gut sogar.
Hazel ist 16. Sie hat eine seltene Form von Krebs und weiß, dass sie sterben wird. Ihre Lunge ist angegriffen, nachts schläft sie mit einem Beamtungsgerät, tagsüber muss sie immer einen Wagen mit einer Sauerstoffflasche hinter sich herziehen, über einen Schlauch an ihrer Nase wird sie mit Sauerstoff versorgt. Sie hat schon sehr viel Zeit in Kliniken verbracht, Chemotherapien hinter sich gebracht. Dank eines neuen Medikamentes, das an ihr getestet wird, geht es ihr aber momentan ganz gut. Wenn sie irgendetwas überhaupt nicht ausstehen kann, ist es Mitleid.
An einigen Tagen der Woche geht die sehr intelligente Hazel ins College, ansonsten sitzt sie meist zu Hause, liest (immer wieder dasselbe Buch) und schaut fern. Ihre Eltern möchten, dass sie mehr unter Gleichaltrige kommt, deswegen muss sie auch zum wöchentlichen Treffen der Selbsthilfegruppe gehen, obwohl sie eigentlich keine Lust hat. Dieses Mal hat Issak, der nur noch ein Auge hat und dem eine Operation bevorsteht, bei der ihm das zweite herausgenommen werden soll, einen Freund mitgebracht, Augustus. Augustus hatte auch Krebs, doch er gilt als geheilt, nachdem ihm ein Bein abgenommen wurde. Er sieht gut aus und hat einige flotte Sprüche auf Lager. Als er Hazel zu sich nach Hause einlädt, sagt sie zu. Es stellt sich heraus, dass sich die beiden sehr gut verstehen. Ebenso wie Hazel denkt Augustus viel über die Welt nach, natürlich auch über Krankheit und das Sterben.
Das Buch, das Hazel wieder und wieder liest, ist ein Krebsbuch. Eigentlich findet sie Krebsbücher doof, weil darin immer alle heldenhaft sind und am Ende eine Stiftung gründen. Dieses Buch ist jedoch anders. Ein Niederländer hat darin so offen und bewegend über ein leukämiekrankes Mädchen geschrieben, dass es ihr viel gibt. Allerdings ärgert sie das offene Ende: Der Text bricht abrupt ab. Ihr ist klar, dass das bedeuten soll, dass das Mädchen zu krank zum Schreiben war oder gestorben ist. Aber sie will wissen, was mit den anderen Protagonisten passiert ist. Sie leiht das Buch Augustus, gemeinsam denken sie über den möglichen Fortgang nach. Eines Tages beschließt Augustus, dem Autor eine E-Mail zu schreiben, um zu erfahren, was aus der Mutter, ihrem Freund und dem Hamster des Mädchens wurde. Damit löst er eine Kette von Ereignissen aus …
„Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist ein wunderbares Buch. Man glaubt es vielleicht nicht, aber es gibt viele Momente zum Lachen. Zugegeben, es gibt noch viel mehr Momente zum Weinen. Vor allem aber ist Hazels und Augustus Blick auf die Welt sehr abgeklärt, klug, mutig, realistisch, oft schmerzlich und sehr aufschlussreich. Sie machen sich viele Gedanken über Leiden, Krankheit, Sterben, Themen, über die junge Leute in ihrem Alter eigentlich gar nicht viel nachdenken sollten. Aber es ist ihre Welt.
Beispielsweise stellt Hazel fest, dass die Masolw’sche Bedürfnispyramide falsch ist. Sie sagt aus, dass manche Bedürfnisse befriedigt sein müssen, bevor man überhaupt höher stehende Bedürfnisse haben kann. Bei ihr und Augustus ist das Bedürfnis nach Sicherheit, das weit unten steht, überhaupt nicht befriedigt. Und dennoch sehnen sich beide nach Liebe, Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Immer wieder werden die Pläne der beiden Jugendliche durchkreuzt, das Krankenhaus ist ein stetiger Begleiter aus ihrem Weg. Es tut weh, dieses Buch zu lesen und es tut gleichzeitig auch gut. Es gibt einige überraschende Wendungen, die den Leser in eine Achterbahn der Gefühle versetzen – anders als die Achterbahn, in der Augustus sitzt und die, wie er sagt, nur noch nach oben fährt. Lange habe ich kein buch mehr gelesen, das mich so bewegt und auch in lesefreien Zeiten so sehr beschäftigt hat.
John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Hanser 2012. Euro 16,90, 288 Seiten, ISBN ISBN 978-3-446-24009-4.
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