Nicholas Gannon: Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

Archer Benjamin Helmsley wächst in einem wundervollen Haus auf. Seine Großeltern sind Forscher und in allen Ecken finden sich Dinge, die sie von ihren Reisen mitgebracht haben. Aber nicht alle Menschen finden das toll. Archers Mutter fürchtet sehr, dass ihr Sohn auch solche „merkwürdigen Neigungen“ verspüren könnte. Um zu verhindern, dass aus Archer ein Forscher wird, verbietet sie ihm, aus dem Haus zu gehen – außer in die Schule. Doch dann freundet sich Archer mit dem Nachbarsjungen Oliver an, der zwar keinen Forscherdrang verspürt, aber einen Freund sucht. Über die Dächer ist es möglich, von einem Haus ins andere zu gelangen. Als gegenüber die Französin Adélaide einzieht, die angeblich schon viele Abenteuer erlebt hat, ist das Forschertrio komplett. Gemeinsam planen sie ihre Flucht und eine Reise in die Antarktis, wo Archers Großeltern verschollen sind. Aber das ist nicht so einfach …

Die Kinderhelden Archer, Oliver und Adélaide sind mir sehr sympathisch. Alle drei sind Außenseiter, alle drei spielen nicht mit ganz offenen Karten, teilen aber einen Wunsch: Freunde zu haben. Was für andere Kinder ganz einfach ist, ist für sie aus verschiedenen Gründen recht kompliziert, sodass sie sich allerlei Tricks ausdenken müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Erwachsenen dagegen sind teilweise wirklich schrecklich und machten mich wütend. Archers Mutter, die meint, wenn sie ihren Sohn einsperrt, wird ein ordentlicher Mensch aus ihm, nach ihren Maßstäben. Archers Vater ist zwar ganz nett, aber es scheint ihm nicht aufzufallen, wie grausam seine Frau ihren Sohn behandelt. Nicht einmal auf einen Klassenausflug ins Museum darf er mit. Die schreckliche Lehrerin Mrs. Murkley erinnerte mich stark an Frl. Knüppelkuh aus „Matilda“. Die anderen Erwachsenen sind zwar recht nett, wie Olivers Eltern, Adélaides Vater oder die Schulbibliothekarin, aber sie erkennen die Nöte der Kinder nicht und greifen nicht ein.

Lange Planungen und Vorbereitungen sind notwendig, bevor die Kinder ihre Flucht antreten können. Das zieht sich manchmal etwas. Das Buch ist in drei Abschnitte eingeteilt. Am Ende von Abschnitt 1 dachte ich, das Abenteuer geht endlich los, doch dann wechselt der Schauplatz nach Paris und der Leser lernt erst einmal Adélaides Lebensgeschichte kennen. Das ist zwar nicht uninteressant, es passiert auch einiges, aber so richtig hat es mich nicht mitgerissen. Erst im dritten Buch, als die drei Kinder zusammenarbeiten, wird es spannend und aufregend, bis sich an einem Tag die (teilweise etwas skurrilen) Ereignisse überschlagen.

Es gibt Bücher, die ich nur ansehen muss und sofort spüre ich den dringenden Wunsch, sie zu lesen. Dieses Buch gehört in diese Kategorie. Die ganzseitigen, überwiegend in Sepia und rötlich-bräunlichen Tönen gehaltenen Bilder wirken gleichzeitig altmodisch und, durch die Art der Darstellung, modern. Mir gefallen sie sehr gut. Die Geschichte hat mir zwar auch gefallen, ich finde aber, dass sie etwas zu lange braucht, um die Gänge zu kommen. Mein Sohn legt in einem solchen Fall das Buch weg, wenn es ihn noch nicht neugierig genug gemacht hat. Es wäre wirklich schade, wenn die Kinder nicht durchhalten, denn es ist eine manchmal etwas skurrile Geschichte mit vielen lustigen Passagen.

Eine etwas ungewöhnliche Geschichte über einen verhinderten Nachwuchsforscher für Kinder von 10 bis 12 Jahren.

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Nicholas Gannon: Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt. Aus dem amerikanischen Englisch von Harriet Fricke. Coppenrath 2016. 368 Seiten, Euro 14,95, ISBN 978-3-649-61942-0.

Zur Verlagsseite – bei Amazon – über Buchhandel.de – und in der Buchhandlung um die Ecke.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.