Shlomo Graber: Der Junge, der nicht hassen wollte. Eine wahre Geschichte

Shlomo Graber schildert in diesem Buch seine Leidensgeschichte. Er wurde in der heutigen Slowakei geboren, zog aber mit seiner Familie nach Ungarn und verbrachte dort den größten Teil seiner Kindheit und Jugend. Die Familie war nicht reich, schon früh musste er arbeiten, was ihm, wie er meint, später zugute kam. Mit 14 Jahren wurde er mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert, dort sah er seine Mutter und die jüngeren Geschwister ein letztes Mal. Zusammen mit seinem Vater kam er in verschiedene Arbeitslager, wo er mehrfach wie durch ein Wunder dem Tod entkam. Als die Rote Armee näher rückte, befanden sich die beiden in einem Lager in Görlitz und wurden auf einen Todesmarsch geschickt.

Die Lagerhymne im Lager Görlitz:
Wenn der Tag erwacht,
Die Sonne lacht,
Die Kolonnen ziehen
In des Tages Mühen
Im Morgengrauen …
Oh Zwangsarbeit,
ich werde dich nie vergessen,
Weil du mein Schicksal bist. 

Sehr sachlich, teilweise regelrecht distanziert, schildert Graber seine schrecklichen Jahre in Konzentrations- und Arbeitslagern. Zuvor zeigt er seine recht glückliche Kindheit, erinnert sich an seinen Großvater, der in seinem Leben eine wichtige Rolle spielte, und vor allem an seine Mutter. Diese hatte ihm immer wieder gesagt, dass es keinen Sinn mache zu hassen. Obwohl er allen Grund gehabt hätte zu hassen, wurde diese Einstellung zu seinem Credo, und er schaffte es tatsächlich, sie zu leben.

Graber lässt vieles aus, weil es ihm zu unmenschlich erscheint. Da aber die meisten Leser schon viel über den Holocaust gehört und gelesen haben dürften, fällt es nicht schwer, diese Lücken gedanklich zu füllen. Aber er berichtet doch genug, dass auch jugendlichen Lesern, die vielleicht noch nicht so viel wissen, der Schrecken und die Gräueltaten der Nazis und ihrer Helfer mehr als deutlich werden.

Anfangs war ich etwas irritiert, weil Gruber sich bei der Schilderung seiner Jugend gelegentlich etwas widersprach. Doch letztlich störte es nicht, zumal es nachzuvollziehen ist, wenn man sich nicht mehr an jedes Detail seiner Kindheit, vor allem jedes Datum, genau erinnern kann. Dass ich manche Zeiten etwas knapp geschildert fand, könnte auch damit zusammenhängen, dass dieses Buch eine Kurzfassung von Grabers Autobiografie Denn Liebe ist stärker als Hass ist ist.

Ich habe schon viel über den Holocaust gelesen, doch jedes Buch setzt ein Puzzleteil mehr ins Bild, das dennoch nie vollständig sein wird. Ich hatte bereits vom Schicksal der Budapester Juden gelesen, doch über das jüdische Leben in der tiefsten ungarischen Provinz vor dem Krieg nichts gewusst. Das fand ich sehr interessant. Seine Schilderung des Todesmarsches fand ich sehr bewegend. Oft stockte mir beim Lesen der Atem, weil er mehrfach haarscharf und nur durch großes Glück mit dem Leben davonkam.

Das wirklich Besondere an diesem Buch ist jedoch, dass es Graber gelungen ist, trotz seiner schrecklichen Erfahrungen seine Menschlichkeit nicht zu vergessen. Das ist sehr, sehr beeindruckend!

„Wisst ihr was? Wenn ich diesem Kind kein Brot gebe, bin ich nicht besser als Hitler, der alle, auch die Kinder vernichten wollte. (…)“

Fazit: Ein empfehlenswerter biografischer Bericht über den Holocaust für Jugendliche ab 15 Jahren und Erwachsene.

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Shlomo Graber: Der Junge, der nicht hassen wollte. Eine wahre Geschichte. Riverfield 2016. 224 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-9524640-5-2.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.