Abgeschoben in die Ferien
Merle ist stinkesauer. Ihre Mutter ist schwanger, weswegen sie mit ihren Eltern in ein eigenes Haus umziehen muss, weit weg von all ihren Freundinnen im Mehrfamilienhaus. Und weil sie bei dem Umzug nur im Weg wäre, bringt ihre Mutter sie zu ihren Großeltern, die eigentlich gar nicht ihre Großeltern sind, sondern die Eltern ihres Stiefvaters. Er ist für sie ihr Papa, aber wird das noch so sein, wenn das Baby kommt? Und werden die Großeltern ein „echtes Enkelkind“ nicht lieber mögen als sie?
Sie hat also über einiges nachzudenken und fühlt sich abgeschoben, als sie im kleinen Ferienhaus der Großeltern ankommt. Doch dann lernt sie den etwas aufdringlichen, dicklichen Felix kennen, der von den anderen gemobbt wird, sich aber als wunderbarer Kumpel entpuppt – oder sogar noch mehr als das? Zusammen mit den anderen Ferienkindern erleben die beiden herrliche, spannende, manchmal auch nervenaufreibende Tage.
Erschöpft treibe ich dahin. Wie still es ist! Wie ruhig ich treibe!
Unter mir flüstert der Wels.
Gefühlschaos
Als Merle bei den Großeltern ankommt, ist sie bockig und will am liebsten wieder mit zurückfahren. Doch dann wird sie von Felix in den See gelockt und von des Großvaters Geschichten vom alten Wels fasziniert. Die niederdrückenden Gedanken tauchen zwar immer mal wieder auf, aber einiges lässt sich in dieses Ferientagen klären. Vor allem aber hat sie sehr viel Spaß, lernt viel über Freundschaft und auch das Gefühl der ersten Verliebtheit kennen.
„Wir wissen ja, dass du den Umzug nicht gut findest, Merle. Aber den Urlaub?“ Oma sieht mich bittend an. Opa, dessen Blick auf mich durch Mama verdeckt wird, beugt sich vor. Mama scheint den Atem anzuhalten. Stille am Tisch (…).
Merles gut nachvollziehbares Gefühlschaos wird von ihr selbst glaubhaft geschildert. Sie ist eine sympathische Protagonistin. Vor allem spricht für sie, dass sie auch dann noch zu Felix hält, als sie die anderen Kinder kennenlernt, die sich über ihn lustig machen. Da alle daran interessiert sind, das neue Mädchen kennenzulernen, brechen die alten Beziehungsmuster zwischen die Kindern auf. Sie ärgern sich weniger und unternehmen mehr gemeinsam. Dabei kommt auch heraus, warum sie sich manchmal fies oder merkwürdig verhalten – sie haben alle ihre eigenen Probleme.
Felix ist einfach ein rundum netter Junge, manchmal noch etwas kindlich, doch er weiß, was er will und lässt sich nicht so leicht davon abbringen. In diesem Fall weiß er sehr genau, dass er sich mit Merle befreunden will. Trotz der Gefahr, ihr auf die Nerven zu gehen, setzt er sich von Anfang an sehr dafür ein, bis Merle sich die Ferien und den See ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann.
Sehr sympathisch sind auch die verständnisvollen Großeltern, die Merle relativ viel Freiheit lassen und für sie da sind, wann immer sie sie braucht.
Und dann ist da noch der Wels, der eine große Rolle spielt, über den ich aber nicht so viel verraten möchte. Lest einfach selbst …
Ein Sommer der Veränderung
Ein an sich banaler Sommer am Waldsee, der die Protagonisten verändert. Sie erleben teilweise kleine Alltags-Abenteuer, aber auch ursprünglich harmlose Ausflüge, die überraschend gefährlich werden. Die Jugendlichen sind aufeinander angewiesen und müssen sich aufeinander verlassen. Und sie halten zusammen, als es darum geht, den alten Wels zu retten. Doch natürlich gibt es auch Missverständnisse und Streitigkeiten – ganz wie im richtigen Leben eben.
(K)ein Ferienidyll
Das Buch strahlt eine gewisse Sommer-Sonne-See-Leichtigkeit aus, trotz der manchmal nicht ganz leichten Themen. Ich fand es sehr angenehm, mich von der Atmosphäre aufsaugen zu lassen. Die Spielereien, das Kribbeln der ersten Verliebtheit, die Teenagerstreitigkeiten, die Welsgeschichten, die heimlichen Unternehmungen, das Entdecken der Probleme der einzelnen Jugendlichen und, immer wieder, schwimmen, schwimmen, schwimmen, das alles wirkte auf mich sehr authentisch. So sind sie, lange Sommerferienwochen am See.
Fazit: Freundschaft, Verliebtheit, Rivalität, Zusammenhalt, das Ablösen von der Familie und der gleichzeitig dringende Wunsch, dazuzugehören, werden im Ferienambiente am See überzeugend geschildert. Eine tolle Lektüre für alle von 12 bis 15 Jahren – ganz sicher nicht nur für die Ferien, aber dann bestimmt besonders schön zu lesen.
Kristina Dunker: Ins Blaue hinein. Coppenrath 2017. 256 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-649-66988-3.
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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.