Torben Kuhlmann, Kristen Fulton: Mit dem Ballon in die Freiheit #30JahreWende

Flucht aus der DDR

Jakob hat fest versprochen, niemandem zu erzählen, dass seine Familie mit einem Heißluftballon aus dem Land fliehen möchte, in dem sie leben: der DDR. Er ist noch klein, hat aber schon verstanden, dass in diesem Land einiges schlechter ist als in anderen Ländern. Manchmal denkt er aber, dass er die Sache mit dem Ballon geträumt haben muss. Zwar hört er jede Nacht Nähmaschine und Schweißbrenner, aber tagsüber kann er keine Spur mehr davon entdecken.

Eines Nachts wecken ihn seine Eltern und fahren mit ihm und seinem kleinen Bruder zu einer Waldlichtung. Auch eine zweite Familie ist dabei. Dort bauen sie den Ballon zusammen und blasen ihn auf. Gerade noch rechtzeitig steigen sie in die Luft, denn schon kommt die Polizei angefahren. Sie wurden entdeckt!

Als das Gas ausgeht und der Ballon landet, wissen sie zunächst nicht, ob sie es geschafft haben. Sind sie in Westdeutschland?

Eine wahre Geschichte

Das Bilderbuch basiert auf einer wahren Geschichte.

Das erste Bild zeigt die streng bewachte Mauer mit einem Wachturm. Das wirkt sehr bedrohlich, Kinder verstehen so gleich, dass man diese Grenze nicht so einfach überqueren konnte, wie sie es von den Urlauben ihrer Familie kennen. Auf der nächsten Doppelseite folgt eine Gegenüberstellung Bundesrepublik und DDR. Die Kinder im Westen schauen Comics im Fernsehen und Essen Pizza.

Im Osten waren Comics verboten und wenn es einmal etwas Gutes im Laden gab, muss man stundenlang dafür anstehen. Das Ostfernsehen war für Kinder so langweilig, dass es keiner schaute.

Auf dem Ostbild sieht man eine Warteschlange vor einem Konsum, in der auch drei Pioniere stehen. Ein Mann, der gerade aus dem Laden kommt, isst eine Banane. Auf der folgenden Seite wird noch erwähnt, dass Westdeutsche überall hin reisen konnte, Ostdeutsche in ihrem Land eingesperrt waren.

Ich finde es nicht so gut, dass die Probleme der Menschen in der DDR hier mal wieder auf Bananen und fehlende Reisefreiheit reduziert werden. Das ist doch arg oberflächlich. Andererseits wird die Geschichte aus der Sicht eines Kindes geschildert. Für Peter, der zum Zeitpunkt der Flucht fünf Jahre alt war, wären das vermutlich die Dinge gewesen, die er gesehen und verstanden hätte.

Die Schilderung der Vorbereitungen und der Flucht sind spannend geschrieben. Man kann sich gut in das Kind hineinversetzen, das den Geräuschen im Haus lauscht und versucht, sich einen Reim auf alles zu machen.

Sachteil

In einem Sachteil am Schluss erhalten die Leserinnen und Leser Hintergrundinformationen. Wie wurde der Ballon angefertigt, wie die Gondel? Man erfährt, dass eine der Familien schon einen Fluchtversuch hinter sich hatte, dabei aber nicht entdeckt wurde. Die Autorin berichtet, wie sie auf die Geschichte aufmerksam wurde, die Familie suchte und befragte. Auf einer Seite gibt es zum Schluss eine Erläuterung des geschichtlichen Hintergrunds.

Komplexes Thema, gut für Kinder dargestellt

Der Text im erzählenden Teil ist trotz der Komplexität des Themas für Kinder gut verständlich geschrieben. Die Bilder von Torben Kuhlmann sind beeindruckend. Die Menschen sind sehr lebensnah, die Darstellungen sehr atmosphärisch. Da sich der größte Teil der Handlung nachts abspielt, sind sie naturgemäß ein wenig düster. Außerdem gibt es einige Fotos der Familie Wetzel.

Der Sachteil dagegen ist eindeutig nicht für die Kinder dieser Altergruppe geschrieben, sondern für die vorlesenden Erwachsenen, auch wenn wohl versucht wurde, sich einfach auszudrücken. Das finde ich schade, denn so müssen die Erwachsenen selber versuchen, Worte zu finden, um alles zu erklären und die Informationen auf das Niveau der Kinder herunterzubrechen, falls diese Fragen haben. Zwar finde ich es grundsätzlich gut, wenn Bilderbücher zu Gesprächen führen, aber hier hätte ich mir etwas mehr kindgerechten Hintergrund gewünscht.

Spannend, aber zu wenig Hintergrund

Das Buch schildert eine spannende Geschichte, die Kinder sicherlich fesselt und die ihnen erste Informationen über das geteilte Deutschland vermittelt. Ich finde es gut und richtig, wenn Bilderbücher auch schwierige und politische Themen aufgreifen. Allerdings finde ich die Darstellung der DDR hier etwas dünn. Zwei Sätze mehr hätten wahrscheinlich schon gereicht. Außerdem hätte es mir besser gefallen, wenn der Sachteil sich ebenfalls an die Kinder richten würde.

Fazit: Ein spannendes Bilderbuch für Kinder ab 6 Jahre Jahren, dem es zwar gut gelingt, die aufregende und ungewöhnliche Flucht zu zeigen, bei dem der Hintergrund aber ausführlicher und kindgerechter hätte sein dürfen. Dennoch halte ich es für einen ersten Einstieg ins Thema gut geeignet.

Torben Kuhlmann, Kristen Fulton: Mit dem Ballon in die Freiheit. Aus dem Englischen von Jakob Hein (Erzählteil) und Lisa Heilig (Sachteil). Ravensburger 2019. 56 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-473-44719-0.

Eine Zusammenstellung aller Bücher zu den Themen DDR, Wende, Mauerfall usw., die ich bereits besprochen ahbe oder besprechen werde, findet ihr hier. #30JahreWende

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