Barbara Zoschke: Wovon man alles NICHT stirbt

Barbara Zoschke: Wovon man alles NICHT stirbt

Eine dicke Freundschaft

In dem Moment, in dem Lesya neu in die Klasse kam, wusste Kim, dass sie mit ihr befreundet sein möchte. Seitdem sind die beiden Mädchen unzertrennlich. Lesya kommt aus der Ukraine und soll eigentlich nur ein paar Wochen zum Deutschlernen bei ihrer Tante bleiben. Da sie die deutsche Schule besucht hat, kann sie aber schon sehr gut Deutsch. Kim findet mit der Zeit heraus, dass Lesyas Eltern wegen ihrer politischen Ansichten im Gefängnis sitzen und Lesya sich große Sorgen um sie macht. Lesyas Tante, die in einer anderen Stadt bei einem Anwalt arbeitet und nur ab und zu heimkommt, trifft Kim nie. Lesya muss sich also selbst versorgen. Sie kocht und wäscht und bemalt die Wände in ihrem Zimmer, wofür Kim sie bewundert. Beide haben aber Angst, dass der alte Herr Krause, der allen Bewohnern der umliegenden Blocks ihre Fahrräder repariert, sie verrät. Außerdem schimpft er immer auf „die Russen“. Deswegen wünschen sie ihm den Tod.

Vielleicht dachte Fahrrad-Klose, Rassist sein und Leute verraten wäre kein Problem für eine Zukunft im Himmel, wenn er nur ordentlich Zeug reparierte. Vielleicht dachte er, das wäre so was wie Beichte oder Buße.

Als Nachbar Krause tot aufgefunden wird, macht sich Kim Sorgen. Am Abend zuvor hat sie Lesya aus dem Fenster gesehen, wie sie vor der Fahrradwerkstatt herumlungerte. Hat Lesya etwas mit Krauses Tod zu tun?

Gemeinsam durch dick und dünn

Sechstklässlerin Kim, 13, ist glücklich, endlich eine Freundin gefunden zu haben. Lesya ist so anders als die anderen Mädchen. Sie selbst hat eine harte Zeit hinter sich. Ihr Vater ist gestorben, was passiert ist, erfahren wir erst ganz am Schluss des Buches. Sie und ihre Mutter mussten aus dem Einfamilienhaus aus- und in eine billigere Wohnung in den Wohnblocks einziehen. Sie hat die Schule gewechselt und und wiederholt die sechste Klasse. Inzwischen hat ihre Mutter einen neuen Freund, Ricco, der ziemlich eklig zu ihr ist und der außerdem nicht der Hellste zu sein scheint. Kim kann überhaupt nicht verstehen, was ihre Mutter an diesem Mann findet. Seine kleinen Zwillinge mag sie allerdings gerne, wenn sie nicht gerade mal wieder auf sie aufpassen muss, weil Ricco keine Lust hat, sich um sie zu kümmern. Kim schreibt gerne Listen über alles und jedes, die sie fein säuberlich abheftet, immer wieder liest und manchmal auch überarbeitet. Sie ist ein in einen Jungen verliebt, der ebenso wie sie toll vom Sieben-Meter-Brett springen kann. Das Springen ist ihre große Leidenschaft und sie arbeitet darauf hin, endlich den Sprung vom Zehner zu schaffen.

Wir erfahren viel über Kim, die ihre Erlebnisse in der Ich-Perspektive schildert, über ihre Sorgen und Nöte. Am liebsten würde sie die ganze Zeit mit Lesya verbringen. Sie hat Angst vor dem Tag, an dem diese wieder zurück in die Ukraine muss. Als sie herausfindet, dass Lesya nicht ehrlich zu ihr war und in eine merkwürdige Sache verwickelt zu sein scheint, bricht eine Welt für sie zusammen. Sie war immer eine loyale Freundin und hat das auch von Lesya erwartet. Dass vieles ganz anders ist, als sie dachte, macht sie erst einmal fertig.

Lesya lernen wir nur aus Kims Blickwinkel kennen. Sie hat etwas Geheimnisvolles an sich und am Ende bestätigt sich, dass sie wirklich ein großes Geheimnis hatte. Besonders an ihr ist ihre Fähigkeit zu malen. Ohne Vorlage bemalt sie Wände so, dass Kim ganze Geschichten herauslesen kann. Dass es ihrer Freundin nicht gut geht und sie große Sorgen hat, bemerkt Kim nicht.

Ricco ist ein großer Widerling, den nicht nur Kim nicht ausstehen kann, sondern der auch mir vom ersten Moment an unsympathisch war. Ihre Mutter bleibt dagegen sehr blass. Sie scheint eine müde, erschöpfte, traurige Frau zu sein, die ihrer Tochter keinen Halt geben kann und sie nicht gegen ihren Freund verteidigt. Ungewöhnlich ist das Haustier, das Huhn Tante Lo, das eine kleine Prise Magie ins Buch bringt. Allerdings weiß man nicht, ob das Ganze nur in Kims Fantasie stattfindet.

Wichtige Themen

Das Buch behandelt ein wichtiges Thema, nämlich Flucht und Asyl. Allerdings merkt man das erst ganz zum Schluss, da Kim Lesya als Besucherin betrachtet, auch wenn sie hofft, dass sie in Deutschland bleibt. Wesentlich dominanter sind die Themen Freundschaft, Vertrauen, Zusammenhalt und auch erste Liebe.

Die bisherigen Bände der Reihe Just me haben mir alle sehr gut gefallen. Deswegen war es für mich sehr unerwartet, dass ich mit diesem Buch Probleme hatte. Ich habe zwei Ansätze gebraucht, um es überhaupt durchzulesen und habe mich auch dann zwingen müssen, es bis zum Ende zu lesen. Wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es sicherlich zur Seite gelegt. Leider kann ich gar nicht genau festmachen, woran es gelegen hat. Schließlich wurde doch Spannung aufgebaut: Was ist mit Lesya los?

Lag es an der Ich-Form? Das glaube ich eigentlich nicht, ich habe schon wunderbare Bücher mit einem Ich-Erzähler gelesen. Vielleicht lag es an den ständigen Sprüngen in die Vergangenheit. Kim erzählt im Rückblick, was passiert ist, springt dabei aber immer wieder noch weiter zurück in die Vergangenheit und versorgt und Häppchenweise mit Informationen. Das eigentliche Rätsel war, was mit Lesya los ist. Aber auch um den Tod von Kims Vater wurde (unnötigerweise, wie ich finde) ein großes Geheimnis gemacht. Immer wieder gibt es Andeutungen, aber erst ganz am Schluss löst es sich auf.

Ich glaube, es kamen mehrere Faktoren zusammen: Die Geschichte war sehr sprunghaft; es hat mir zu lange gedauert, bis sie wirklich in Fahrt kam; dass Lesya alleine in der Wohnung lebt, wirkte auf mich von Anfang an unglaubwürdig; das eigentliche Problem wird erst ganz am Schluss behandelt; die meisten Erwachsenen waren unsympathisch und es war jetzt die x-te Geschichte, in der die Protagonistin Listen schreibt, was ich irgendwann mal lustig fand, inzwischen aber abgegriffen finde. Es kann aber natürlich sein, dass die Leserinnen der Zielgruppe das alles ganz anders empfinden.

Fazit: Geschichte um eine dicke Mädchenfreundschaft für Leserinnen (und vielleicht auch Leser) von 12 bis 14 Jahren.

Barbara Zoschke: Wovon man alles NICHT stirbt. (Just me). Coppenrath 2018. 224 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-649-62708-1.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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