Ursula Poznanski: Saeculum

Medizinstudent Bastian ist verliebt in Sandra. Deswegen begleitet er sie zu einem Mittelaltermarkt, obwohl er sich dafür eigentlich nicht übermäßig begeistern kann, und lässt sich überreden, mit ihrer Mittelaltergruppe Saeculum über Pfingsten an einer Convention (Con) teilzunehmen. Das bedeutet, fünf Tage in einem abgelegenen Waldstück zu verbringen und nur Dinge zu verwenden, die es im Mittelalter schon gab. Nach einer anstrengenden Anreise kommt die Gruppe am Spielort an. Alle Teilnehmer werden durchsucht, „Neuzeitliches“ muss abgegeben werden – beispielsweise auch Bastians Brille.

Was zunächst als harmloses und fröhliches Spiel beginnt, nimmt schnell bedrohliche Züge an. Eine alte Legende berichtet von einem Fluch, der auf dem Ort liegen soll. Immer mehr ereignet sich, was sich als Erfüllung des Fluches interpretieren lässt. Geheimnisvolle Nachrichten werden gefunden und schließlich verschwinden nach und nach drei der Mitspieler. Während einige an den Fluch glauben, sind andere davon überzeugt, dass es sich um Zufälle handeln muss, so auch Bastian. Doch dann spitzen sich die Ereignisse immer mehr zu und Bastian gerät in ernsthafte Gefahr.

Sehr gut entwickelt Poznanski, wie schnell sich in einer Notsituation eine Gruppe gegen einen „Sündenbock“ richten kann, wie Angst zu Hass führt und Egoismus sich durchsetzt. Die anfänglich fröhliche, freudig-erwartende Stimmung schlägt nicht nur bei den Teilnehmern des Rollenspiels schnell in ein beklemmendes Gefühl um. Die Angst konnte bzw. musste ich teilweise richtig körperlich mitempfinden, so realistisch und nachvollziehbar wirkt vieles (manches allerdings auch ein wenig überzogen). Die Charaktere sind gut herausgearbeitet und überzeugend. Die Spannung steigert sich immer mehr bis zum überraschenden vorläufigen Höhepunkt, als sich auf einmal viele Dinge klären. Doch auch dann bleibt es weiter spannend, bis der Leser merkt, dass er immer noch einer falschen Fährte gefolgt ist. Lediglich der Schluss war in mancher Hinsicht etwas ernüchternd, manch einer ist etwas zu gut weggekommen und die Erklärung für seine Taten war nicht befriedigend. Wenn jeder, der in der Jugend benachteiligt wurde, so reagieren würde … Aber man darf nicht vergessen, dass es sich um ein Buch für Jugendliche handelt. Wäre es ein Thriller für Erwachsene gewesen, hätte es vermutlich etliche Tote gegeben. Poznanski zeigt, dass nicht haufenweise Leichen erforderlich sind, um genügend „thrill“ beim Lesen zu erzeugen.

Das Cover passt hervorragend zum Buch, schwarze, erhabene Schrift und schwarze Äste auf weißem Grund, wie im Wald ein Blick Richtung Himmel. Dazu der schwarze Schnitt, das trifft die Atmosphäre perfekt.

Ein würdiger Nachfolger von Erebos, wie ich finde. Empfohlen ab 14, je nach Sensibilität des Jugendlichen sollte man vielleicht auch noch ein Jährchen länger warten, sonst drohen schlaflose Nächte.

Ursula Poznanski: Saeculum. Loewe 2011. 496 Seiten, Euro 14,95. ISBN 978-3-7855-7028-9