Lydia Keune-Sekula, Franziska Becker: Der Kummerkönig

Viele Bilderbücher zeigen eine heile Welt. Andere befassen sich zwar mit Problemen der Kinder, beschränken sich jedoch auf eins und kleiden es in eine Geschichte mit Happy End. Anders ist es beim Kummerkönig. Hier widmet sich je eine Doppelseite einem Problem: zwei Bilder, vier Zweizeiler in Reimform. Es geht um streitende, depressive, schlagende, desinteressierte oder sich trennende Eltern, küssende Onkels, Trennung, zu harte Strafen, ausgelacht werden, ungerechte Vergleiche … Doch auf jeder Seite kommt auch der Kummerkönig vor, ein freundlicher Bär, dem das Kind seinen Kummer erzählen kann.

„Was für ein Tollpatsch!“ Alle schimpfen und lachen,
wie kann einer nur so was Peinliches machen?

Dem Buch liegt ein 32-seitiger „Ratgeber für die pädagogische Praxis“ bei, in dem erklärt wird, wie es funktioniert. Dazu gibt es beispielsweise Empfehlungen für einen sinnvollen Einsatz bei verschiedenen Altersgruppen. So wird erläutert, welche (die „einfacheren“) Episoden sich eignen, um sie in der Gruppe zu besprechen. Andere sollten eher mit einzelnen Kindern gelesen werden, bei denen ein konkretes Problem vorliegt oder vermutet wird. Wie solch ein Gespräch ablaufen soll wird ebenso erläutert wie der Unterschied zwischen „normalen“ Kindersorgen und einem Trauma. Wichtig ist die Aufgabe des Kummerkönigs, der bestellt oder gebastelt werden kann. In seine Tasche können Kinder Zettel stecken, auf denen sie ihren Kummer notiert oder gemalt haben oder einfach nur ein Kügelchen, das den Kummer symbolisiert. So können die Kinder den Kummer abladen. Es folgen noch viele weitere Hinweise, Tipps, die Bastelvorlagen für den Kummerkönig, Muster für Steckbriefe (Das kann ich schon, Das möchte ich gerne lernen), weiterführende Bücher und Anlaufstellen.

Kinder sollen mithilfe des Kummerkönigs lernen, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht alleine sind. Die Reime und die bunten, detailreichen Bilder machen den Zugang leichter.

Onkel Martin, der will immer küssen,
doch Carla will gar nicht küssen müssen.

Das Buch soll es ermöglichen, die Ursache für das ungewöhnliche Verhalten eines Kindes herauszufinden oder mit den Kindern zu besprechen, wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten können: Was kann das Kind machen, wenn der Onkel es immer küssen will? Oder wenn die Mutter ihm immer wieder ein anderes Kind als Muster vorhält?

Das Buch kann auch von Eltern genutzt werden, vor allem, wenn sie über ein konkretes Problem sprechen möchten. Ich muss aber zugeben, dass ich es meinen Kindern vermutlich nicht in Gänze vorgelesen hätte. Wenn die Eltern des Nachbarkindes sich gerade getrennt haben und man merkt, wie sehr das eigene Kind das beschäftigt, es aber nicht darüber reden möchte, sicher. Wenn man mitbekommt, dass das eigene oder ein anderes Kind von anderen unterdrückt wird, klar. Aber vielleicht nicht ohne Anlass die Geschichte der depressiven oder betrunkenen Mutter, die teilnahmslos im Bett liegt.

Sehr gut eignet es sich meines Erachtens für die Arbeit in Kindergruppen. Manche Probleme tauchen in der Kinderwelt regelmäßig auf, sodass die Pädagogen entweder auf Beobachtungen reagieren können oder manche Themen auch ohne Anlass besprechen können. Zeichnet sich bei einem Kind ein wirkliches Problem ab, kennt es den Kummerkönig schon und es gelingt ihm mit seiner Hilfe vielleicht leichter, sich zu öffnen. Allein das Vorhandensein des Kummerkönigs in der Gruppe, die Möglichkeit, seine Sorgen für eine Weile einfach abzuladen, kann Kindern bei kleineren, alltäglichen Problemen sehr hilfreich sein. Bei größeren Problemen wie dem Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung, können die Pädagogen mit ihm vielleicht die Tür zum Kinderherzen öffnen. Das wird meist nur ein erster, aber notwendiger Schritt sein.

Ein wichtiges Buch!

Cover_Kummerkönig

Lydia Keune-Sekula: Der Kummerkönig. Mit Bildern von Franziska Becker. mebes & noack 2011. 32 Seiten Bilderbuch plus 32 Seiten Ratgeber, Euro 18,50, ISBN 978-3-927796-93-5.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.