Johannes Groschupf: Lost Places

Kaya, Moe, Chris, Steven und Lennart sind eine Gruppe befreundeter Berliner Jugendlicher, die gerne zum Tanzen in Clubs gehen, zusammen einfach abhängen oder verlassene Plätze erkunden, von denen es in Berlin eine ganze Menge gibt: leerstehende Fabriken, Krankenhäuser, Firmengebäude. Das ist nicht ganz ungefährlich, macht aber Spaß und sorgt für einen gelegentlichen Adrenalinkick.

Take nothing but pictures, leave nothing but footprints.

Die Sommerferien beginnen für Lennart, aus dessen Sicht die Ereignisse geschildert werden, höchst unerfreulich: Er hat die 11. Klasse vergeigt und ist sitzengeblieben. Seine Eltern sind stinksauer, fahren ohne ihn nach Italien und lassen ihn mit dem Auftrag zurück, ordentlich zu lernen. Lennart denkt nicht daran und macht lieber mit den anderen Party. Sie ziehen los und haben das Glück, in den angesagtesten Club gelassen zu werden, weil Kaya ein wenig mit dem Türsteher flirtet. Als dieser später jedoch mehr von ihr will, helfen ihr ihre Freunde, werden dafür von den Türstehern verprügelt und fliegen raus. Als sie danach ziellos durch die Stadt ziehen, entdecken sie eine verlassene Fabrik: ein neues Ziel für die Urban Explorers. Sie schleichen sich hinein und erkunden sie.

Das Gebäude fasziniert sie. Als sie den fiesen Eddy, einen der Türsteher des Clubs, dabei beobachten, wie er eine Tüte hineinträgt und kurz darauf ohne sie wieder hinauskommt, werden sie neugierig. Anstatt sich fernzuhalten, versuchen sie herauszufinden, was er versteckt haben könnte. Dabei findet Chris eine Leiche …

Der weitere Sommer ist geprägt von Joints, Alkohol, erster Liebe, Neugier, weiteren Erkundungen und riskanten Begegnungen. Lennart geht zu weit und muss erkennen, dass er sich mit den Bandidos angelegt hat, die es nicht dulden, dass ihnen jemand in die Quere kommt. Nun wird es richtig gefährlich.

Ich habe das Buch an einem Tag verschlungen, um 1 Uhr nachts habe ich es aus der Hand gelegt. Als ich einen bestimmten Punkt überschritten hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, so spannend waren die Erlebnisse der Jugendlichen, die ich sehr realistisch geschildert finde. Beispielsweise Lennart, der sich schüchtern immer hinter seiner Kapuze versteckt. Dem die Schule nun erst einmal völlig egal ist und der die Nase voll hat von seinen nölenden Eltern. Der feiern und vergessen will, gerne bei einem Joint, aber leider ziemlich pleite ist. Und der für Moe mehr empfindet als Freundschaft, was er erst nach und nach merkt und sich lange nicht zu sagen traut. Ja, er muss sogar von Moe geschubst werden, damit er es überhaupt schafft, etwas zu sagen. Die Fünf halten zusammen, zunächst auch, als es gefährlich wird. Leider bleiben vor allem Chris und Steven etwas blass. Am Schluss kommt es zu einem Verrat, was ich als sehr glaubhaft empfunden habe. Da wächst keiner heldenhaft über sich heraus, sondern wird angesichts einer großen Bedrohung schwach und verrät seinen Kumpel.

Gut gefallen hat mir auch die Sprache, die natürlich in der wörtlichen Rede die Redeweise der Jugendlichen aufgreift (Alda, Digga, creepy, kein Ding), aber in einem Maß, dass es weder nervt noch anbiedernd wirkt. Die Atmosphäre der verlassenen Gebäude wird sehr gut vermittelt: die Leere, die Verlassenheit, der muffige, staubige Geruch, der Hauch von Gefahr, die merkwürdigen Geräusche, das Gruseln, aber auch die damit verbundene Faszination.

Mein Fazit: Gut geschilderte jugendliche Seelenwelten verbunden mit einem sehr spannenden Abenteuer machen Lost Places zu einer Lektüre, die jugendliche und erwachsene Leser ab 14 Jahren gleichermaßen fesselt.

Lost Places ist eines von fünf Büchern, die für den Hansjörg-Martin-Preis nominiert wurden, das ist ein Preis für den besten Kinder- und Jugendkrimi.

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Johannes Groschupf: Lost Places. Oetinger 2013. 250 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-8415-0248-3.

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