Ungewöhnliche Freundschaft, ungewöhnlicher Forschungsauftrag
Der schüchterne Nils und die zappelige Evi, die gerne mal jemandem ihren Ellbogen in die Rippen haut, gründen eine Bande. Nicht unbedingt aus dicker Freundschaft, sondern weil die anderen 22 Klassenkameraden ohne sie eine Detektiv-Bande gegründet haben, als die beiden gerade mal fehlten. Gerade da kommt Lina aus Syrien neu in die Klasse und wird neben die beiden gesetzt. So kommen sie auf die Idee, dass das Ziel ihrer Bande Integration sein soll.
Jeden Tag gehen die drei nach der Schule zu Nils Großeltern zum Essen, Spielen und um Hausaufgaben zu machen. Sie verstehen sich immer besser und werden tatsächlich Freunde. Doch was ist mit Oma los? Sie schaut plötzlich immer mehr Fernsehen, kauft Unmengen von Erbsensuppe in Dosen ein, die sie in der ganzen Wohnung stapelt, und packt einen großen Koffer. Weil die Kinder das alles nicht verstehen, aber auf ihre Fragen keine befriedigenden Antworten bekommen, reichen sie in der Schule „Erbsensuppe“ als Forschungsthema ein.
Es stellt sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, Antworten zu finden. Und dann kommen ihnen auch noch immerzu die 22 in die Quere.
Ein tolles Team
Vielleicht verstehen sich die Kinder gerade deshalb so gut, weil sie so unterschiedlich sind. Oder vielleicht auch, weil sie alle eine Außenseiterrolle haben. Wobei das in Linas Fall nicht so sein müsste, denn die Schülerinnen und Schüler haben schon so viel über Flüchtlinge gehört, dass sie endlich auch einen in der Klasse haben wollen. Doch Linas kommt mit Evi und Nils viel besser klar als zum Beispiel mit Sofie und Pit, die mit ihr sprechen, als wäre sie blöd und würde kein Wort verstehen ~ dabei hat sie doch schon eine Deutschklasse besucht und kann die Sprache.
Evi ist tatsächlich sehr anstrengend, aber Opa und Oma haben sie voll im Griff und ihr tun die regelmäßigen Abläufe dort gut. Der schüchterne Nils liebt seine Großeltern sehr und ist froh, dass er jeden Tag bei ihnen sein darf, wenn seine Eltern arbeiten. Er versteht am wenigstens, warum seine Oma sich auf einmal so verändert.
Die Großeltern sind klasse. Als erst Evi und dann Lina unangemeldet zum Essen mitkommen, nehmen sie die Kinder mit offenen Armen auf.
Nils Eltern spielen erst am Ende eine Rolle. Sie sind beide Richter, was sich gelegentlich auf Nils’ Ausdrucksweise auswirkt und für einige Schmunzler bei mir, der erwachsenen Leserin, sorgte. Die Kinder werden mit „Gefahr in Verzug“ vermutlich nicht so viel anfangen können.
Lustig trotz ernstem Hintergrund
Den Hintergrund der Geschichte bilden die Themen Flucht und Vertreibung. Lina ist mit ihrem Vater aus Syrien geflüchtet, ihre Mutter ist geblieben, um sich um eine kranke Verwandte zu kümmern und Lina weiß nicht, ob sie noch lebt. Die Vorstellung finden Evi und Nils schrecklich, vergessen es aber manchmal. Mehr erfahren wir zu Linas Erlebnissen nicht, aber anfangs hat sie immer eine Sorgenfalte auf der Stirn und spricht kaum. Später hat sie Angst, bei Aktionen mitzumachen, die in irgendeiner Weise illegal sein könnten. Es dauert eine Weile, bis Nils und Evi verstehen, dass sie Angst vor Abschiebung hat.
Auch von Omas Fluchtgeschichte erfahren wir nur das Wenige, was Opa den Kindern erzählt. Deswegen kommen die Kinder auch lange nicht auf den Gedanken, dass ihr Verhalten etwas damit zu tun haben könnte. Es ist einfach herrlich, wenn sie beispielsweise “Erbsensuppe” und “Krankheit” googeln, um dahinterzukommen, was los ist.
Die Sprache ist gut zu verstehen, Opas plattdeutsche Einwürfe, die aber immer erklärt werden, stellen eine kleine Hürde dar. Die schwarz-weißen Zeichnungen von Regina Kehn, die sich vor allem auf die drei Hauptpersonen Nils, Evi und Lina konzentrieren, zeigen gut die Gefühle der drei Kinder.
Fazit: Dem Buch gelingt es, schwierige Themen in eine lustige und phasenweise auch sehr spannende Geschichte einzubauen, ohne die Leser*innen zu überfordern. Eine unbedingte Leseempfehlung für Kinder ab 8 Jahren.
Das Buch ist für den beim Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 für den Sonderpreis Neue Talente nominiert.
Rieke Patwardhan: Forschungsgruppe Erbsensuppe oder Wie wir Omas großem Geheimnis auf die Spur kamen. Knesebeck 2019. 144 Seiten, Euro 13,00, ISBN 978-3-95728-023-7.
Ich werde versuchen, alle Bücher zu besprechen, die für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert sind. Auf einer Übersichtsseite sammele ich Links zu allen Rezensionen.
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