Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Eine Beerdigung, beschrieben aus der Sicht eine Kindes. Welchen Kindes? Das erfährt der Hörer erst nach etwa acht Minuten:

Rico ist, wie er selbst sagt, „tiefbegabt“. Wenn er überfordert ist, dröhnen die „Bingotrommeln“ in seinem Kopf los. Sein bester Freund Oskar, der nun im selben Haus wohnt, ist hochbegabt, hat aber so einige Probleme mit seinem alleinerziehenden Vater Lars und mit der Welt überhaupt. Zum Schutz versteckt er sich gerne, in Band 1 diente dazu eine dunkle Sonnenbrille, nun ist es eine peruanische Bommelmütze.

Die beiden Jungs haben den alten Nachbarn Fitzke tot im Treppenhaus gefunden. Dies bringt Rico dazu, nach langer Zeit wieder einmal Tagebuch zu schreiben, um das Erlebte zu verarbeiten. Dort berichtet er in seiner unnachahmlichen (und nun schon aus den zwei Vorgängerbüchern bekannten) Art von den aufregenden Erlebnissen, die sich daraus entwickeln: Rico erbt die Steinsammlung des Steinzüchters Fitzke, Oskar und er beobachten, wie jemand abends heimlich in dessen Wohnung schleicht und stellen fest, dass der einzige Züchtungserfolg, der Kalbstein, gestohlen wurde. Zum Glück ist gerade Pfingsten, Ricos Mutter verreist, Oskars Vater planlos, und so nehmen die beiden Jungen die Verfolgung des Diebes auf, was sie bis an die Ostsee bringt. Dass sich die Ereignisse dabei überschlagen, ist unvermeidlich …

Es macht viel Spaß, den neuen Erlebnissen des ungleichen Gespanns Rico und Oskar zuzuhören. Nicht immer ist es ein Hörvergnügen, wenn Bücher von Autor selbst gelesen werden. Im Fall von Andreas Steinhöfel ist das jedoch nicht der Fall. Er hat eine angenehme, gut modulierte Stimme, die man auch nach mehr als sechs Stunden nicht über hat.

Der elfjährige Testhörer fand den Anfang etwas langatmig, die Geschichte in Gänze aber spannend und gut. Ich verstehe, was er meint. Steinhöfel nimmt sich noch die Zeit zum Erzählen, zum Beschreiben, zum Entwickeln der Handlung – etwas, das in der aktuellen Kinderliteratur selten wird, was man aber in alten Büchern häufig findet. Bei einem Buch birgt das immer das Risiko, dass das Kind nicht weiterliest, bei einem Hörbuch werden solche (vermeintlichen) Längen leichter überwunden. Ich jedenfalls habe mich keine Minute gelangweilt, im Gegenteil, ich musste häufig laut lachen. Besonders gelungen und amüsant finde ich die Stellen, an denen Rico in seinem Tagebuch unbekannte Wörter erklärt, wie beispielsweise Para-Neujahr (Paranoia) oder Labyrinth:

Im ersten Labyrinth der Welt wohnte der Minotauros, ein griechischer Stiermensch, der Jungfrauen und Jünglinge fraß, also sozusagen eine Mischung aus schottischem Hochlandrind und Hannibal Lector. Der Held Theseus machte ihn platt, was aber nur klappte, weil er den roten Faden seiner Geliebten Ariadne nicht verlor. Die Geschichte bedeutet, dass man ohne Wolle und ohne Liebe im Irrgarten des Lebens verloren ist. Seitdem verschenken die Menschen zu Weihnachten gerne selbst gestrickte Pullover und Socken.

Durch Ricos naiven Blick auf die Welt im Allgemeinen und Sprache im Besonderen sowie seine treffenden Kommentare gewinnt auch der Leser eine neue Sicht auf viele Dinge.

Lustig, spannend, überraschend: Rico, Oskar und der Diebstahlstein hat alles, was ein tolles Kinder(hör-)buch braucht! Für Hörer ab 10 Jahren.

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein. Gelesen vom Autor. HörbucHHamburg HHV 2011. 6 Stunden, 36 Minuten. Im Download bei audible.de Euro 13,95

5 Kommentare zu “Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein

    • Das ist doch bestimmt für eine Schulaufgabe, oder? Ich empfehle, das Buch einfach zu lesen. Ich schreibe absichtlich nie das Ende auf, das würde ja allen Leuten, die das Buch noch lesen bzw. das Hörbuch hören wollen, den Spaß verderben.

  1. Wir – mein Sohn und ich – haben alle Bücher von Rico und Oskar geliebt, auch dieses hier. Wirklich erstaunlich, dass die Geschichte auch im dritten Band nicht abfällt. Ich würde allerdings empfehlen, tatsächlich zuerst das erste (Fundnudel) und das zweite Buch (Herzgebreche) zu lesen. Dann lernt man alle Personen so richtig kennen und weiß, was in ihrem Leben so los ist.

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