Ich habe schon immer davon geträumt, fliegen zu können,
leicht und schön wie ein Schmetterling.
Das sagt Pollina, ein kleines Mädchen. Aus dem Ballettunterricht ist sie herausgeflogen, weil sie den Spagat nicht schnell genug gelernt hat. Die Ballettlehrerin meinte, sie sei zu dick und trampelig. Seitdem wird sie von den anderen Kindern Trampel-Polina genannt. Das macht sie noch unsicherer und lässt sie noch öfter über ihre eigenen Füße stolpern. Doch sie hat einen Freund, der zu ihr hält: Monsieur Petit. Er sagt ihr, was sie gut kann, nämlich träumen. Und so träumt sich Polina eine schönere Welt. Doch eines Tages kommt ein Zirkus in die Stadt. Polina darf auf dem Trampolin springen – und plötzlich kann sie fliegen … Am Ende hat sie einen neuen Namen bekommen. Aus Trampel-Polina wurde Trampolina.
Polina ist von ihrer Ballettlehrerin und den anderen Kindern übel mitgespielt worden, was sie zu einem schüchternen, verunsicherten Mädchen gemacht hat, das noch ungeschickter ist als zuvor. Doch als der Zirkus in die Stadt kommt, macht sie die Erfahrung, dass es auch für sie eine Möglichkeit gibt, sich ihren Traum zu erfüllen. Auf dem Trampolin ist sie glücklich, denn sie fliegt! Und es wird nicht bei dem einem Mal bleiben.
Anfangs werden mit vergleichsweise viel Text die Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle Polinas geschildert. Als sie auf dem Trampolin ist, sind nur noch vier reisiege, schwungvolle Schreibschrift-Worte nötig, um ihr Glück zu schildern. Dann folgen zwei Doppelseiten fast ohne Text, auf denen man erkennen kann, welchen Weg Polina geht.
Die Bilder gefallen mir sehr gut. In der Szene mit der Ballettlehrerin ist Pollina ein blasses, schattenhaftes Mädchen. Die Gesichter sind nur schemenhaft zu erkennen. Später wird Pollina farbiger und konturierter dargestellt. Obwohl die Gesichter nur angedeutet werden, gelingt es doch sehr gut, Pollinas Gefühle zu zeigen: Traurigkeit, Verunsicherung und Glück.
Ich mag die Botschaft des Buches: Man muss nicht schlank und wahnsinnig geschickt sein, um seine Träume verwirklichen zu können. Jeder kann irgendetwas gut, vielleicht muss er das erst noch entdecken, so wie es Polina ging, als sie die Möglichkeit bekam, auf das Trampolin zu steigen. Anfangs wird alles mit viel Text erzählt, auf den letzten Seiten müssen die Leser sich selber zusammenreimen, was passiert: Sie sehen eine strahlende Polina, auf ihrem Bett liegt ein hübsches Kleid, an der Wand eine Anmeldung zur Zirkusschule und ein Viel-Glück-Luftballon von Mama und Papa schwebt in der Luft. Auf der letzten Seite sieht man dann ein Zirkusplakat, auf dem „La petite Trampolina“ angekündigt wird. Das bietet viel Raum für Eltern und Kinder, über Paulinas Geschichte zu spekulieren, zu überlegen, was sich alles für sie (zum Besseren) geändert hat und wie sie sich nun wohl fühlt.
Das Buch scheint keine Übersetzung aus dem Französischen zu sein, wie ich zunächst dachte. Daher ist mir nicht klar, warum französische Wörter vorkommen und teilweise auch erklärt werden: zum Beispiel Papillon, weil sie fliegen können möchte wie ein Schmetterling. Am Ende heißt dann auch der Zirkus Papillon – ihr Traum ist also wirklich in Erfüllung gegangen. Zwar klingt Zirkus Papillon viel besser als Zirkus Schmetterling, aber die Kinder könnten die Anspielung bei einem deutschen Namen besser verstehen.
Im Allgemeinen ist der Text gut zu verstehen, allerdings kommt an einer Stelle eine Redewendung vor, die ich auch nicht kenne. Und was sagt Polina? Dass sie auch nicht versteht, was das bedeutet, aber es irgendwie gut klingt. Hm, das hätte man sich vielleicht auch sparen können. Dafür gefällt mir aber das Spiel mit dem Namen sehr gut: Polina – Trampel Polina –Trampolin – TRAMPOLINA.
Ansonsten finde ich, dass ein wichtiges Thema hier gut umgesetzt wurde. Die Geschichte wird für Kinder ab 3 Jahren empfohlen, dafür scheint sie mir aber doch teilweise zu abstrakt zu sein. Kleine Zuhörer ab etwa 5 Jahren können jedoch mit Polina erfahren, dass man an seinen Träumen festhalten sollte, ohne sich von dummen Sprüchen anderer davon abbringen zu lassen – das macht Mut.
Scheyla Sadr: Trampolina. Patmos 2015. 32 Seiten, 12,99 Euro, ISBN 978-3-8436-0628-8.
Zur Verlagsseite – bei Amazon – und in jeder Buchhandlung.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.
Das wäre eine gute Lösung gewesen. Oder einfach die Mutter oder den Vater im Hintergrund stehen lassen. Oder Monsieur Petit, der den Eltern ja sicherlich bekannt ist. Dann wäre klar gewesen, dass jemand aufpasst.
Wir haben das Buch auch und eine Besprechung wird natürlich auch noch folgen. Mich konnte das Buch leider nicht so ganz überzeugen, auch wenn mir die Grundidee und das Thema gefallen… Alleine, dass Polina dann doch zu den Fremden auf das Trampolin geht, gefällt mir gar nicht.
Stimmt, den Punkt habe ich vergessen, darüber bin ich auch gestolpert. Trampolina sagt selbst, dass sie nicht mit Fremden mitgehen darf – und tut es dann doch.
Ja, und gerade dadurch, dass sie es selber sagt und dann doch tut, finde ich es noch kritischer. Hier hätte man vielleicht einfach noch eine Szene dazwischen schalten können, in der sie ihre Eltern um Erlaubnis bittet.