Helden und Götter. Die spannende Welt der griechischen Sagen

44 Sagen, beginnend bei Gaia und Uranus, führen die jungen Leser durch die griechische Mythologie. Zuerst spielen die Sagen in der Götterwelt, bevor u. a. die Geschichten um Herakles, Theseus, Dädalos und Ikaros, Sisyphos und Odysseus erzählt werden. Die einzelnen Kapitel sind meist zwei oder drei Seiten lang.

Was das Buch von vergleichbaren Sagen-Nacherzählungen abhebt, sind die zusätzlichen Informationen am Ende eines jeden Kapitels. Da werden Götternamen am Sternenhimmel erklärt und beispielsweise gezeigt, dass die Saturnmonde alle Namen aus der griechischen Sagenwelt tragen, natürlich jeweils im Zusammenhang mit der jeweiligen Geschichte. Auch welche Redewendungen ihren Ursprung dort haben, wird erläutert (z. B. Tantalusqualen). Manchmal handelt es sich auch um weiterführende Informationen wie eine Aufzählung der Aufgaben des Herakles oder der Namen und Zuständigkeiten der Musentöchter.

Natürlich ist das Buch nicht ganz einfach zu lesen – all diese komplizierten griechischen Namen. Aber erstaunlicherweise macht das an Sagen interessierten Kindern überhaupt nichts aus. Ich habe jedenfalls immer gestaunt, wie sich meine Kinder durch solche Texte hindurchgekämpft haben, weil es sie eben interessiert hat. Und dann konnten sie sich auch noch die vielen Details viel besser merken als ich … Hier finde ich allerdings, dass die Geschichten recht nüchtern erzählt werden, teilweise gibt es auch Erklärungen, die sicherlich hilfreich sein sollen, aber die Kinder weniger interessieren. So wird zum Beispiel erläutert, dass die Abenteuer des Odysseus in fast 28000 Hexameter-Versen erzählt werden, aber nicht erklärt, was Hexameter-Verse überhaupt sind. Auch gibt es oft Ortsangaben, die die jungen Leser nicht unbedingt zuordnen können.

Keiner weiß, ob der Schauplatz dieser Sage [Kirke] in der Nähe der Insel Mallorca war, aber es ist sicher, dass die Inselgrupe der Balearen (griech. ballein: werfen, schleudern) dem Volk der Steinschleuderer ihren heutigen Namen verdankt. Geschichtsforscher bestätigen, dass die Waffen der Ureinwohner gefährliche Steinschleudern waren.

Solche zusätzlichen Informationen können zwar sehr interessant sein, reißen aber aus einer spannenden Geschichte oder lassen den Leser gar nicht richtig hineinkommen. Manchmal hat das Buch mehr von einem Nachschlagewerk als von einem Buch, das Kinder für die Sagenwelt begeistert. Andererseits finde ich aber, dass die Sagen gut zusammengefasst sind.

Die Bilder haben verschiedene Größen. Sie sind hübsch, allerdings darf man auf historische Genauigkeit keinen Wert legen. Mein Sohn warf nur einen Blick aufs Titelbild, dann bat er mich anzumerken, dass die Griechen keine roten Kleider trugen und dass beide Kämpfer Linkshänder sind, was beim Kämpfen in der Phalanx eher hinderlich sein dürfte usw. Aber das ist ja nicht weiter tragisch.

Das Buch endet mit einem „Who ist who“ der griechischen Sagenwelt. Das finde ich sehr nützlich, denn man kann da schon mal den Überblick verlieren … Ich hätte mir sogar noch mehr solcher Informationen gewünscht. Da das Buch ja auf weiterführende Informationen setzt, wären eine Karte von Odysseus’ Reise und eine Art Götter-Familienstammbaum hilfreich gewesen.

Meine Meinung ist also etwas zwiegespalten. Kinder ab 10 Jahren, die Interesse für Sagen haben und sich vielleicht auch schon mit der griechischen Mythologie befasst haben, finden hier eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Sagen und zusätzlich viele interessante weiterführende Informationen. Absolute Neulinge in der Sagenwelt könnten hier aber überfordert oder gar abgeschreckt werden. Für den Einstieg halte ich die Bearbeitungen von Dimiter Inkiow für sinnvoller.

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Ursel Scheffler, Betina Gotzen-Beek: Helden und Götter. Die spannende Welt der griechischen Sagen. Kerle 2015. 160 Seiten, Euro 16,99, ISBN 978-3-451-71323-1.

Zur Verlagsseite – bei Amazon – und in der Buchhandlung um die Ecke.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

 

5 Kommentare zu “Helden und Götter. Die spannende Welt der griechischen Sagen

  1. Unbedingt! Ich habe ja schon viele Kindersachbücher übersetzt, die nur so von Fehlern strotzten. Die Autoren waren nicht immer (meistens nicht) Fachleute für das Gebiet. An den Übersetzern blieb dann die ganze Verantwortung hängen. Hier hätte der Verlag einen fachlich kompetenten Lektor für die Schlussredaktion engagieren müssen. Immer wird am falschen Ende gespart … Die falsche Kleiderfarbe muss nicht auf das Konto der Illustratorin gehen. In der Herstellung entstehen oft Cover, die völlig unpassend sind.

    • Vielen Dank für den Hinweis auf die Herstellung, damit kenne ich mich überhaupt nicht auf. Ich erinnere mich aber, dass ich mich als Kind oft über Illustrationen aufgeregt habe, wenn beispielsweise die blond gelockte Protagonistin mit glatten langen Haaren dargestellt wurde … Kinder sind da sehr aufmerksam.

      • Es soll die Käufer eben zum Kauf verlocken, da ist jedes Mittel (oder auch Titel) recht. 🙂 Autorenproteste verhallen da auch oft ungehört. Auch was auf den Waschzetteln steht, ist oft erstunken und erlogen mit falschen Protagonistennamen usw.
        Bücher sind auch nur eine Ware, die an den „Mann“ gebracht werden soll.

  2. Doch, solche Fehler – rote Kleidung und Linkshänder auf dem Titelbild – sind tragisch! Kinder, denen so etwas ins Auge springt, sollten es unbedingt dem Verlag schreiben! Manche Kinderbuchverlage nehmen Kritik durchaus ernst.

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