Martin Baltscheit: Besuch aus Tralien

 Schüleraustausch mal anders

Die Eltern genießen die Ruhe. Ihr Sohn Piet ist als Austauschschüler nach Australien geflogen. Gerade überlegen sie, wie sie den Tag verbringen, da erfahren sie, dass ihr australischer Gastschüler einen Tag früher kommen wird.

Piet/Heute 9.15 Uhr/Zugestellt
Hey, Leute! Bin in Sydney. Flug ging so. (…) Schlechte Nachricht: Der Austauschschüler ist krank. Gute Nachricht: Es gibt Ersatz. Der neue heißt Dave und kommt einen Tag früher.

Also schnell zum Flughafen. Dave sieht sehr merkwürdig aus. Er ist grün, hat sehr lange Fingernägel, sehr spitze Zähne und trägt einen komischen Ledermantel mit Schleppe. Außerdem redet er nicht, er faucht erst einmal. Von seinem Bett hält er nicht viel, lieber taucht er im Gartenteich ab.
In den nächsten Tagen kommt es zu einer Menge Missverständnisse. Dave benimmt sich merkwürdig, die Schule fordert Integration und die Eltern geben sich alle Mühe. Lange will niemand wahrhaben, was das Baby schon bei der ersten Begegnung erkannt hat:

„Bekodil!“

Toleranz auf die Probe gestellt

Ich sage es gleich: Ich habe mit diesem Buch einige Probleme. Die Idee fand ich toll, deswegen wollte ich das Buch auch gerne lesen. Aber ich bin nicht gut damit zurechtgekommen. Doch zunächst einmal zum Positiven.

Es wird schön mit Klischees gespielt, der Aufprall der Kulturen humorvoll geschildert.

„Höllou, Däiv!“, sagt die Mutter und versucht, englisch zu klingen. Dave starrt auf ihre lackierten Nägel.
Blut auf den Nägeln. Sie kommen vom Essen. Sehr gut, dann gehen sie nicht an meinen Koffer.

Dave spricht nur ein Wort, seine Gedanken werden in grüner Schrift dargestellt. Das Baby bekommt kursive Schrift, die Eltern fette. Zwischendurch kommen immer mal wieder Nachrichten von Piet, die auf einem Handy-Bildschirm gezeigt werden. Das finde ich gut gemacht. Auch die Bilder finde ich klasse. Lustig ist der Running Gag: Wann immer jemand sagt, dass Dave aus Australien kommt, versteht sein Gesprächspartner „aus Tralien“.

Es werden wichtige und schöne Botschaften vermittelt

Man muss offen bleiben, denkt sie, auch denen gegenüber, die man nicht leiden kann. Sonst wird das nie was mit dem Weltfrieden.

Aber.

Es passieren komische, für mich nicht nachvollziehbare Dinge.

Dave sieht aus wie ein Krokodil, er benimmt sich wie ein Krokodil , er spricht nicht, aber die Eltern wollen oder können das nicht sehen. Warum? Das gilt auch für die Lehrer und einige Nachbarn. Sie sehen, was sie sehen wollen: einen Austauschschüler aus Australien. Nur das Baby blickt durch, außerdem der Trophäensammler-Nachbar und die Polizei.

Erst ganz am Ende haben die Eltern ein Aha-Erlebnis, das ihnen die Augen öffnet. Erst in diesem Moment machen sie sich Gedanken darüber, wo ihr Sohn eigentlich in Australien gelandet ist. Dabei hat er eine Nachricht geschickt, aus der das ziemlich deutlich wird.

Die Sprache ist relativ schwierig, auch wenn die englischen Sätze in Fußnoten übersetzt werden. Vor allem inhaltlich finde ich die Geschichte nicht ganz einfach zu verstehen. Das Buch richtet sich an Kinder ab 6 Jahren. Ich bin der Meinung, dass sie den teilweise skurrilen Ereignissen nicht unbedingt folgen können, dass sie die Botschaften nicht verstehen. Beispielsweise bietet eine Nachbarin ihre Hilfe an, die Dave für ein Flüchtlingskind hält:

„Die lange Reise, feindliche Länder, geschlossenen Grenzen und das weite, weite Meer. Da bleiben nicht nur körperliche Schäden, auch Seelen haben Narben.“

Der Schulleiter fordert Integration (auch so ein schwieriges Wort):

„Es gibt nur eine Lösung. Das Kind muss werden wie die anderen Kinder. Denn sind sie alle gleich, ist die Welt ein Himmelreich!“
Der Rektor erhebt sich und die Mutter schaut auf.
Integration! Machen Sie einen deutschen Jungen aus ihm. Hilfsbereit, einfühlsam und friedlich. Wir sind doch so ein nettes Völkchen. Helfen Sie ihm, einer von uns zu werden. Sie schaffen das.“

Dann fangen die Eltern an, darüber nachzudenken, was es ausmacht, deutsch zu sein. Das ist teilweise lustig, aber oft ironisch bis sarkastisch. Ich denke, da kommen vielleicht die vorlesenden Eltern ins Schmunzeln, aber die Kinder werden das nicht immer alles verstehen.

Das Buch hat einige Auszeichnungen gewonnen.

Fazit: Eine schöne Idee, nicht ganz überzeugend umgesetzt. Ich folge der Altersempfehlung des Verlags (ab 6 Jahren) nicht, ich halte ab 8 oder 9 Jahren für angemessener.

Martin Baltscheit: Besuch aus Tralien. Dressler 2017. 128 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-7915-0045-4.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Ein Kommentar zu “Martin Baltscheit: Besuch aus Tralien

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