Alexander Smoltczyk: Wer hat an der Zeit gedreht

Die Sommerferien waren zu Ende.

Gibt es eigentlich schlimmere Sätze? Müsste dieser üble Satz nicht aus Kinderschutzgründen verboten werden? So nach dem Motto: Der Gebrauch des Satzes „Die Sommerferien sind zu Ende“ wird mit Gefängnis nicht unter fünf Jahren bestraft? Eltern haften für ihre Leher.

Da es ein solches Gesetz noch nicht gibt, muss die 11-jährige Greta wohl oder übel zurück in die Schule, in die 6b. Weil ihre beste Freundin weggezogen ist, ist sie in Weltuntergangsstimmung. Doch dann steht ihr Lehrer mit einer neuen Schülerin in der Tür, die natürlich den freien Platz neben ihr bekommt: Unzolaine („Meine Eltern lieben Buchstaben“) genannt Zola, angeblich aus Brüssel. Schnell merkt Greta, dass mit Zola irgendetwas nicht in Ordnung ist: Sie hat ein phänomenales Gedächtnis, obwohl sie gar nichts mitgeschrieben hat, ihre Haare verändern selbstständig Farbe und Frisur, das Fotografieren klappt irgendwie nicht und manchmal sagt sie ziemlich komische Dinge. Zum Beispiel redet sie nie im Konjunktiv, wenn sie von der Zukunft redet. Und schließlich stellt sich heraus, dass Zola aus der Zukunft stammt und für einen Monat ein Schulpraktikum in Gretas (unserer) Zeit machen muss. Das darf maximal eine Person erfahren. Doch dann kommt Zolas Tagebuch abhanden. Ihre Rückkehr ist gefährdet. Die beiden Mädchen erleben einige aufregende Wochen, bis die Zeit für Zolas Abschied gekommen ist.

Am Anfang dachte ich: „Och nö, wieder einmal eine weggezogene Freundin!“ Das ist wirklich ein häufig gewählter Einstieg in eine Geschichte. Aber dann geht es zugegebenermaßen originell weiter. Zola wirkt weitgehend wie ein ganz normales Mädchen, aber sie betrachtet gewisse Aspekte unserer Zeit mit großer Verwunderung. Fast alle essen Fleisch? Autos werden von den Fahrern gelenkt? Wie merkwürdig für sie! Dafür staunt Greta über die Berichte aus Zolas Zeit und faszinierende Phänomene wie Zolas Haare, die deren Stimmung anzeigen. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen und von vornherein zeitlich begrenzten Freundschaft, die mit einer überraschenden Erkenntnis endet. Die beiden Mädchen sind glaubhaft geschildert, die Lehrer, Eltern und Zolas angebliche Tante etwas überzogen.

Die Geschichte hat viel Tempo, es gibt viel zu schmunzeln und auch ein wenig zum Nachdenken: Kleider, die ihre Farbe und Dicke ändern können, wären ja wirklich praktisch. Aber würde man beispielsweise wollen, dass jeder die aktuelle Stimmung an der Frisur erkennen kann? Dann wäre es vorbei mit der Schauspielerei vor Lehrern, Eltern oder dem Chef. Und ist es wirklich realistisch, dass sie Welt in einem halben Jahrhundert so viel besser geworden ist? Wir werden sehen …

Oft lustig, mal spannend, mal ein wenig nachdenklich und mit einigen originellen Ideen gespickt ist das Buch toll für Kinder von 8 bis 12 Jahren.

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Alexander Smoltczyk: Wer hat an der Zeit gedreht? Dressler 2015. 192 Seiten, Euro 12,99, ISBN 978-3-7915-1967-8.

Zur Verlagsseite – bei Amazon (hier mit anderem Cover und Titel, das war wohl ein Vorentwurf) – und in eurer Lieblingsbuchhandlung.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.