Die 15-Jährige Audrey geht zurzeit nicht zur Schule, nachdem sie dort so sehr gemobbt wurde, dass sie einen Zusammenbruch hatte. Oft ist ihr Zimmer abgedunkelt, trotzdem versteckt sie sich immer hinter einer Sonnenbrille. Sie verlässt das Haus nur, um die Termine bei ihrer Psychologin wahrzunehmen und der plötzliche Kontakt mit anderen Menschen, zum Beispiel Freunden ihres Bruders, löst Panikattacken bei ihr aus. Ihre Mutter macht sich natürlich viele Sorgen um sie, aber auch um ihren älteren Bruder Frank, den sie für computersüchtig hält, weswegen sie seinen Computer aus dem Fenster wirft. Außerdem gehören noch Audreys Vater, der sich meist aus allem heraushält, und der kleine Bruder zur Familie. Doch eines Tages taucht Linus auf, der eigentlich mit Frank am Computer spielen möchte, es aber schafft, so nach und nach mit Audrey Kontakt aufzunehmen.
Das klingt nach einer ernsten Geschichte und eigentlich ist sie das auch. Aber bei der Autorin handelt es sich um Sophie Kinsella, deren erstes Jugendbuch dies ist. Und damit ist eigentlich schon klar, dass das eine lustige Geschichte sein muss. Diese Familie ist so herrlich skurril, es passieren so viele unerwartete Ereignisse und obwohl sich der größte Teil der Handlung im Haus von Audreys Familie abspielt, ist eine Menge los.
Audrey ist eine unheimlich sympathische Protagonistin, die ihre Geschichte auf eine wunderbar selbstironische Weise selbst erzählt. Was genau in der Schule geschehen ist, wird nie erklärt, aber nach und nach kann man es sich zusammenreimen. Die Zuhörer erfahren immer nur so viel, wie Audrey preiszugeben bereit ist. Das erzeugt Spannung und erklärt auch, warum manches eben nicht angesprochen oder vertieft wird. Man wünscht Audrey so sehr, dass sie es schafft, ihr Ziel zu erreichen: im neuen Schuljahr eine neue Schule zu besuchen. Man erlebt ihre Auf und Abs mit und bewundert Linus für seine einfühlsame und meist sehr clevere Art, sich langsam an Audrey anzunähern. Zwischendurch dachte ich mal, dass das gerade ein wenig zu glatt läuft – da kam auch schon Audreys nächster Zusammenbruch. Auch wenn so viel Lustiges passiert und Audreys Kommentare oft sehr sarkastisch sind, werden Angststörungen keineswegs als etwas Lustiges geschildert oder gar verniedlicht oder ins Lächerliche gezogen. Kinsella gelingt es sehr gut, die Ängste und Sorgen dieser Jugendlichen zu vermitteln, die schon leichte Panikattacken verspürt, wenn es nur an der Tür klingelt.
Ein nicht minder wichtiges Nebenthema ist die angebliche Computerspielsucht von Audreys Bruder Frank. Hier werden die Sorgen der Mutter als ziemlich überzogen dargestellt, ihre Reaktionen sind es auf jeden Fall. Vermutlich werden sich die meisten Teenys ein wenig in ihn hineinversetzen können, weil sie ähnliche Sprüche schon von ihren Eltern gehört haben. Er muss ziemlich leiden, aber ich bin mir sicher, dass der Ausgang in seinem Fall allgemein gefallen wird.
Maria Koschny liest einfach toll. Man nimmt ihr die Audrey in jedem Moment ab, egal ob sie gerade eine amüsante Szene schildert oder kurz vor einem hysterischen Anfall ist.
Die ernste Thematik kommt hier niemals mit erhobenem Zeigefinger daher und wird dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – sehr eindringlich vermittelt. Nachdenkliche, traurige, lustige, romantische und dramatische Episoden wechseln in raschem Tempo, dazu die perfekte Lesung – aus meiner Sicht ein rundum gelungenes Hörbuch für alle ab 12 Jahren.
Sophie Kinsella: Schau mir in die Augen, Audrey. Gelesen von Maria Koschny. Aus dem Englischen von Anja Galic. cbj audio 2015. 1 MP3-CD, 252 Minuten, Euro 14,99, ISBN 978-3-8371-3202-1.
Zur Verlagsseite – Amazon – und in jeder Buchhandlung.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.