Eine Krone wie ein Haus
Die Krone von Prinzessin Roberta ist riesig. Sie ist ihr Haus, in dem sie wohnt. Den ganzen Tag läuft sie im Kreis herum und zählt die goldenen Zacken, aber es sind so viele, dass sie niemals damit fertig wird. Durch die Fenster aus Edelstein sieht die Welt wunderbar farbig aus. Doch eines Tages kommt Herr Bo zu Besuch und behauptet, dass die Krone nur zwölf Zacken hat. Er ist durch ein Loch gekommen, das durch einen herausgefallenen Edelstein entstanden ist. Die Prinzessin ist sehr wütend, muss aber feststellen, dass er recht hat.
Prinzessin Roberta fährt fort mit Zählen, aber – hoppla – weiter als bis zwölf kommt sie nicht, da steht sie wieder vor dem Loch.
Von jetzt an ist für Prinzessin Roberta nichts mehr wie vorher. In der Krone ist es eng geworden. Sie späht stundenlang durch das Loch.
Irgendwann beschließt sie, die Welt da draußen zu erkunden. Sie unternimmt einen langen Spaziergang und hat Spaß. Doch als es zu regnen beginnt, findet sie alles grau und langweilig. Als sie sich auf dem Weg nach Hause verläuft, entdeckt sie eine kleine Krone mit einem winzigen König darin, der immerzu die Zacken zählt … Zuhause angekommen entdeckt sie, dass Herr Bo ihre Krone umgedreht hat. Zwischen den Zacken sind nun Öffnungen, die es möglich machen, hineinzugehen und herauszukommen. Die Prinzessin entdeckt ein neues Leben.
Einseitiger Blick auf die Welt
Roberta ist eine sehr ichbezogene Prinzessin, die nur ihre kleine Welt in ihrer Krone kennt. Die Außenwelt kennt sie nur durch eine Art rosarote Brille, in ihrem Fall die farbigen Edelsteine der Krone. Als sie erkennt, dass sie ihr Leben lang etwas Falsches geglaubt hat, ist sie zunächst wütend, dann aber neugierig. Die Außenwelt ist auf den ersten Blick verlockend, spannend, toll. Doch als das Wetter schlecht wird und sie müde wird, sehnt sie sich nach ihrem goldenen Zuhause. Erst eine Begegnung, die sie auf dem Weg hat, bringt sie vollends auf den Boden der Tatsachen. Ihr Besucher zeigt ihr, wie sie in ihrer Krone leben und trotzdem Kontakt zum Rest der Welt haben kann. Die Lösung ist einfach und überraschend zugleicht. Am Ende ist die Prinzessin glücklich in ihrer neuen Welt.
Behütetes Zuhause
Die Geschichte ist eine schöne Parabel. Sie zeigt, wie jemand vollkommen in seiner Welt leben und sie für perfekt halten kann, ohne zu verstehen, dass alles ganz anders ist. Kinder verstehen sehr gut, dass die Prinzessin einerseits Angst hat, ihr behütetes Zuhause zu verlassen, andererseits aber neugierig darauf ist, die Welt zu entdecken. Denn das ist eine Erfahrung, die Kinder immer wieder machen müssen, zum Beispiel wenn sie in den Kindergarten kommen, zum ersten Mal bei einem Freund oder einer Freundin übernachten oder der Schulbeginn bevorsteht. Immer wieder müssen sie erkennen, dass die Welt viel größer ist als gedacht. Manchmal ist sie bunter und schöner als in ihrer Vorstellung, es gibt aber auch Momente, in denen sie grau und angsteinflößend ist. Wie gut, dass sie wie Roberta am Ende eines aufregenden Tages immer wieder nach Hause zurückkehren können.
Die Perspektive wechseln
Ein zweiter, sehr wichtiger Aspekt in diesem Buch: Die Kinder erkennen, dass man die Dinge von mehreren Seiten betrachten muss. Herr Bo hat einen ganz anderen Eindruck gewonnen als Roberta. Deswegen kann es hilfreich sein, sich die Meinung von anderen anzuhören oder einfach mal seinen Blickwinkel zu verändern (zum Beispiel, indem man sich in die Situation eines anderen versetzt). Und manchmal kann es auch helfen, sich jemand anderen anzuschauen, der in einer vergleichbaren Situation ist. Wie würde man selbst an seiner Stelle handeln? Erscheint einem das Handeln aus der Außenperspektive immer noch sinnvoll?
Schutz und Öffnung
Der Text enthält viel wörtliche Rede und ist gut zu verstehen. In den Bildern verstecken sich interessante und lustige Details, zum Beispiel fliegt am Anfang eine Gans in die Krone, die ein Kleid auf einem Bügel im Schnabel trägt. In Pastellfarben gehalten, zeigen sie eine moderne Welt, in die aufgetaktelte Prinzessin nicht so recht zu passen scheint. Und tatsächlich: Auf dem letzten Bild, das die geöffnete Krone zeigt, sieht man das pompöse grüne Kleid am Haken hängen. Die Prinzessin trägt ein schlichtes Kleid und trägt ihre Haare nicht mehr hoch aufgetürmt, sondern offen. Indem die Krone herumgedreht wurde, hat sich die Welt für die Prinzessin geöffnet, sie hat immer noch den Schutz ihres Zuhauses, findet aber Freunde, hat Spaß und kann die Welt entdecken.
Fazit: Ein Bilderbuch, das auf den ersten Blick eine lustige Geschichte über eine überspannte Prinzessin erzählt, auf den zweiten Blick aber sehr viel Stoff zum Nachdenken birgt. Für Kinder von 5 bis 7 Jahren.
Verena Pavoni: Roberta. Die Prinzessin in der Krone. Atlantis 2017. 32 Seiten, Euro 14,95,ISBN 978-3-7152-0733-9.
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