Anna Herzog: Agalstra

Ein ganz normales Ferienprojekt?

Merle und ihr Bruder Felix verbringen eine Ferienwoche bei einem Theaterworkshop auf einer alten Burg. An sich interessiert Merle sich nicht fürs Theaterspielen, aber Felix hat die Teilnahme gewonnen. Das Spannende ist, dass der Workshop auf der Burg Hogenhartt stattfindet, in deren Nähe ihre verstorbene Mutter aufgewachsen ist und von der sie oft erzählt hat. Die Teilnehmer finden sich schnell in zwei Gruppen zusammen. Auf der Suche nach einem Ort, an dem sie ungestört proben können, finden Merle, Felix, Jannis und Wladimir einen verborgenen Platz im Wald. Doch dort passiert etwas mit ihnen. Sie müssen sich das Stück nicht überlegen, wenn sie anfangen zu spielen, entwickelt sich alles von alleine. Irgendwie werden sie in eine alte, sehr alte Geschichte hineingezogen, die viel mit der Burg zu tun hat, aber in der auch Merle und Felix eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.

Was hat es mit dem mürrischen alten Burgherrn auf sich? Merle fürchtet sich vor ihm und seinem nächtlichen Flötenspiel. Doch fühlt sie sich magisch angezogen von dem Gemälde einer jungen Frau, das im Wohnbereich des Schlossen hängt und nach einer Legende niemals abgehängt werden darf. Doch dann wird das Bild zerstört und Merle hört merkwürdige Stimmen. Kommen sie womöglich von der Deckenbemalung? Das kann nicht sein! Doch irgendetwas stimmt auf dieser Burg nicht, da ist Merle sich sicher.

Wolken eilten über den Himmel. Der Mond schien klar auf Täler und Hügel und in dieser Nacht kehrte das Flüstern in die Burg zurück. Es waren nicht Mäuse und Holzwürmer, die in den Balken ihr Unwesen trieben, nicht die Blätter vom Blauregen, Efeu oder wilden Wein, die der Wind an die alten Mauern trieb, und nicht das Gebälk des Dachstuhls, das in der Kühle der Nacht knackte.
Es waren Worte, leise und körperlos. Ein Wispern, fast nicht hörbar, das durch die Gänge schwebte.

Elstern, ein Kauz und andere schräge Vögel

Nichts in dieser Welt ist nur schwarz und nichts nur weiß. Böses und Gutes liegen beieinander – so nahe wie die Farben in meinem Federkleid, kleine Merle.

Vögel spielen eine wichtige Rolle in der Geschichte, aber warum, erfahren die Leser erst ganz zum Schluss. Merle ist jedenfalls auf der Hut vor dem Elstermann. Aber wer soll das sein?

Merle ist ein ganz durchschnittliches Mädchen, das gerne Fußball spielt und sich für die Natur interessiert. Die Tatsache, dass ihr Vater wenig Geld hat und sie sich deswegen keine coolen Klamotten leisten kann, führt gleich dazu, dass einige der anderen Teilnehmer auf sie herabblicken. Und dann noch Felix, der eigentlich zu jung ist? Sie belächeln die Vierergruppe und denken, dass sie sowieso bei der abschließenden Vorstellung im wundervollen Burgtheater gewinnen werden. Merle ist die Herablassung egal, solange sie selber betroffen ist. Geht es gegen ihren kleinen Bruder, wird sie aber wild. Sie mag ihre neuen Freunde Jannis und Wladimir gerne, doch das Theaterstück führt dazu, dass sie sich alle verändern. Sie haben immer mehr Mühe, in die Realität zurückzufinden. Merle beginnt, an allen und allem zu zweifeln, versteht aber zusehends, dass sie einem ganz alten Geheimnis auf der Spur sind.

Felix ist der Einzige, der meistens unbeschwert bleibt. Er schafft es, die Rolle immer wieder abzustreifen. Dem tollpatschigen Jannis und dem stillen Wladimir, der ein Geheimnis verbirgt, gelingt das immer weniger. Die meisten Erwachsenen spielen nur eine Randrolle, abgesehen von Friedrich Schiller, der ein wenig geheimnisvoll ist und plötzlich verschwindet. Aber wieso?

Die Erwachsenen sind nur Randfiguren, wobei der geheimnisvolle Burgherr und sein (heimlicher Widersacher) für Spannung sorgen, während die beiden Betreuer nur nerven. sie fand ich eher unglaubwürdig. Morgens geben sie eine Aufgabe und dann überlassen sie die Ferienkinder sich selbst. In einer knappen Woche sollen die Kinder, die so etwas noch nie gemacht haben, mal eben vollkommen selbstständig ein Theaterstück schreiben und einüben, das am Ende vor großem Publikum vorgeführt wird.

Gegenwart oder Vergangenheit

Im Buch wechseln sich Alltagsschilderungen von der Ferienfreizeit mit der düsteren Geschichte ab, die die Kinder immer mehr in ihren Bann schlägt. Sie verstehen überhaupt nicht, was mit ihnen passiert. Ihr Antrieb ist es, die andere Gruppe zu schlagen. Sie sind fasziniert von dem Ort, dem sie zum Üben gefunden haben, und genießen es, dass die Geschichte einfach so ihren Weg zu ihnen findet. Doch irgendwann beginnen sie doch, Nachforschungen anzustellen. Das kann doch alles nicht sein!

Im Buch finden sich immer wieder Abschnitte mit weißer Schrift auf schwarzem Papier, die in der Vergangenheit spielen. Zunächst versteht man deren Bedeutung überhaupt nicht. Erst als die Kinder mit dem Theaterstück beginnen, setzt sich das Puzzle für die Leserinnen und Leser langsam zusammen. Wir wissen ein wenig mehr als die Kinder, aber nicht viel, weil der größte Teil der Geschichte von einem Erzähler aus Merles Sicht erzählt wird. Einiges kann man sich zusammenreimen, aber das Verständnis aller Zusammenhänge kommt erst nach dem großen Showdown am Schluss.

Fesselnde Geschichte

Die Geschichte ist sehr spannend erzählt. Der Autorin gelingt es, von Anfang an eine etwas düstere Atmosphäre zu erzeugen, die einen auch beim Lesen von Alltagsszenen gespannt darauf warten lässt, was weiter geschehen wird. Das hat mir sehr gut gefallen. Die Protagonisten sind weitgehend sympathisch, jedenfalls die, die sympathisch sein sollen. Ich habe mit Merle gebangt und war sehr gespannt darauf, was bei den Proben und vor allem der Aufführung geschehen wird.

Die Grundidee, wieso die Kinder beim Theaterspielen so viel über die Vergangenheit erfahren, finde ich originell.

Das Cover ist ungewöhnlich gestaltet. Ein großer Teil ist ausgestanzt, sodass das Cover wie ein Theatervorhang wirkt, durch den man die Burg im Mondenschein sieht und Kinder, die durch die Nacht laufen. Das sieht sehr schön aus und wirkt geheimnisvoll. Trotzdem bin ich nicht richtig glücklich damit, da man beim Lesen ständig in das Loch greift, was ich haptisch unangenehm fand.

Auch gut: Es handelt sich um eine abgeschlossene Geschichte (denke ich), sehr wohltuend in der Menge der Serien.

Fazit: Spannend und geheimnisvoll wird erzählt, wie eine Gruppe von Kindern beim Theaterspielen Einblicke in die Vergangenheit gewinnen, die die Gegenwart verändern können. Für Leserinnen und Leser von 10 bis 12 Jahren.

Anna Herzog: Agalstra. Coppenrath 2018. 288 Seiten, Euro 16,00, ISBN 978-3-649-62451-6.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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