Sylvia Schopf: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind

Ich liebe Balladen, seit wir sie in der Schule zum ersten Mal behandelt haben, ich denke, das war in der 7. Klasse. Ich lernte einige auswendig und besorgte mir einen Gedichtband, um weitere Balladen kennezulernen. Auch meine Söhne mochten das Thema in der Schule gerne und zumindest der jüngere hat auch freiwillig auswendig gelernt. Daher weiß ich, dass sie heute noch bei den Kindern ankommen. Ich nehme an, es liegt an den oft ein wenig gruseligen oder traurigen Inhalten in Verbindung mit der dramatischen Sprache: Deklamiert klingen sie einfach toll.

Daher war ich sehr gespannt auf die Lesung von Wer reitet so spät … Balladen für Kinder erklärt, das klang für mich großartig.

Das Hörbuch beginnt, leider muss ich sagen, mit einem über sechs Minuten langen Vorwort, in dem beispielsweise die Herkunft des Wortes Ballade erklärt und über verschiedene Erzählformen gesprochen wird. Ich nehme an, das Vorwort richtet sich an die Eltern, um ihnen die Vorgehensweise zu erklären. Im zugrundeliegenden Buch macht das auch nichts, da überblättern die vorlesenden Eltern das einfach. Die CD richtet sich an Kinder ab 6 Jahren. Ich habe CDs nicht immer zusammen mit meinen Kindern gehört. Was wäre passiert? Sie hätten mir auf Nachfrage erklärt, dass die CD langweilig ist, weil sie beim ersten Track ausgeschaltet hätten. Also, liebe Eltern: Bitte mit Track 2 anfangen!

Dann folgen 19 Balladen. Die Auswahl gefällt mir sehr gut – alle, die mir in meiner Jugend wichtig waren, sind dabei. Sie werden nicht einfach vorgelesen, sondern in kindgerechten Worten erklärt. Weil der Klang aber wichtig ist und damit die Kinder auch eine Vorstellung von der Sprache des Originals haben, werden immer wieder auch Ausschnitte daraus vorgetragen. Die Erklärungen und modernisierten Passagen sind gut gelungen, die Spannung bleibt trotzdem erhalten, was auch der sehr schönen Lesung von Hartmut Stanke zu verdanken ist. Die Tracks werden von kurzen instrumentalen Musikstücken unterteilt. Wenn man die Balladen gut kennt, vermisst man dennoch den gewohnten, wunderschönen Text. Aber die Kinder kennen sie eben noch nicht, für sie sind es neue, spannende Geschichten, die sie verstehen können. Als Einstieg und zum Kennenlernen ist diese Variante wirklich gut geeignet. Sollte das Kind dann besonderes Interesse für eine bestimmte Ballade zeigen, können die Eltern ja immer noch den Gedichtband aus dem Regal ziehen und das Original vorlesen.

Was mich ein wenig irritiert hat, war, dass in der „Bürgschaft“ nicht von Damon, sondern von Mörus die Rede ist. Ich habe das nachgeschlagen, Mörus war wohl die ursprüngliche Version Schillers, er selber änderte das später aber in Damon. Mir scheint  Damon die geläufigere Variante zu sein. Eine nicht repräsentative Umfrage unter meinen Facebook-Kontakten und in der Familie hat ergeben, dass niemand von Mörus gehört hat. Das sind Menschen aus allen möglichen Bundesländern, sodass es auch nicht mit unterschiedlichen Curricula zusammenzuhängen scheint. Deswegen hätte ich es besser gefunden, auch im Hörbuch diese Variante zu verwenden.

Um schon Kindern ab 6 Jahren die ersten Balladen näher zu bringen, ist das Hörbuch auf jeden Fall gut geeignet.

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Sylvia Schopf: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind. Balladen für Kinder erzählt. Gelesen von Hartmut Stanke. IGEL 2015. 2 CDs, 132 Minuten, ISBN 978-3-7313-1094-5.

Inhalt: Der Zauberlehrling, Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Die Lorelei, Die Bürgschaft, Erlkönigs Tochter, Der Fischer, Die Geister am Mummelsee, Der Knabe im Moor, Erlkönig, Lenore, John Maynard, Der Totentanz, Der Taucher, Belsatzar, Der Feuerreiter, Die Kraniche des Ibykus, Die Füße im Feuer, Das Riesen-Spielzeug, Der Ring des Polykrates

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.