Zwei Welten treffen aufeinander:
Die Medlevinger leben in einer Welt, die an unser Mittelalter erinnert. Die Existenz von Menschen, riesig im Vergleich zu ihnen, ist im Prinzip bekannt, wird aber von dem meisten Leuten nicht geglaubt. Sie halten die Geschichten für Sagen. Doch es gibt ein Tor zur Welt der Menschen. Ein Medlevinger ist schon länger verschwunden, schließlich kommt auch Nis’ Vater Vedur nicht mehr zurück. Dadurch verpasst er Nis’ 13. Geburtstag. Das würde er niemals freiwillig tun, das weiß Nis. Also muss ihm etwas passiert sein. Zusammen mit Moa macht er sich auf die Suche nach Vedur.
In der Menschenwelt lernen sie den Jungen Johannes kennen, der gerade viel Ärger in der Schule hat. Sein Englischlehrer schikaniert ihn, einige ältere Jungen erpressen sein Taschengeld. Und nun muss er auch noch ein paar Mini-Menschen, die ihm gerade mal bis zu den Knien reichen, unter seinem Bett verstecken … Doch er ist bereit, den Medlevingern zu helfen. Ihre Nachforschungen sind nicht ungefährlich, und so erleben sie einige Abenteuer, bevor sie einer Erklärung näherkommen. Und der Alltag muss schließlich auch noch bewältigt werden.
In zwei verschiedenen Schrifttypen sind die Ereignisse in Medlevingen und der Menschenwelt geschildert, sodass der Leser von Anfang an merkt, dass da etwas anders ist, auch wenn er zunächst noch gar nicht begreift, was das für Welten sind und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Erst nach und nach klärt sich die Verbindung.
Die Protagonisten, ob aus der Medlevinger- oder der Menschenwelt, sind gut herausgearbeitet: die Kinder und ihre Eltern, der fiese Lehrer, der merkwürdige Nachbar, der alte Freund der Mutter, der trinkende Hausmeister, die mobbenden Schüler, der so unkönigliche König – man kann sich alle richtig gut vorstellen. Dazu gibt es einige lustige Besonderheiten. So gibt es bei den Medlevingern sogeannten „L-Feen“, deren Namen die Menschen zu Elfen verballhorn haben.
Der Großteil der Ereignisse spielt in der Menschenwelt, die durch den Blick der kleinen Medlevingerkinder, die keine Elektrizität kennen, teilweise fremd, aufregend und gefährlich wirkt. Die Abenteuer der kleinen und großen Kinder sind richtig spannend. Aber auch die Phasen zwischendurch, in denen es zum Beispiel „nur“ darum geht, die Medlevinger vor Johannes Mutter zu verstecken, sind immer ein bisschen aufregend. Mein Sohn meinte allerdings, ihm hätte es zu lange gedauert, bis die Geschichte endlich in die Gänge gekommen ist. Ich dagegen mag es, wenn fremde Welten erst einmal vorgestellt werden und man die Protagonisten kennenlernt. Darüber werden wir uns wohl nie einig werden! Obwohl ich zugeben muss, dass man hier sicher das eine oder andere hätte straffen können.
Sehr gut ist auf jeden Fall, dass es jede Menge Spuren und Verdächtige gibt, weshalb es für den Leser keineswegs offensichtlich ist, wer die erwachsenen Medlevinger gefangen hält. Erst kurz für Schluss, als es richtig turbulent wird, klärt sich alles auf.
Ein dicker, spannender Fantasyschmöker mit liebevoll beschriebenen Charakteren und vielen amüsanten Details für Kinder von 10 bis 14 Jahren.
Kirsten Boie: Die Medlevinger. Oetinger TB 2016. 432 Seiten, Euro 8,99, ISBN 978-3-8415-0385-5.
Zur Verlagsseite – bei Amazon – über buchhandel.de – und in der Buchhandlung um die Ecke.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.