S. J. Goslee: Die Welt übt den Untergang und ich grinse zurück

Nichts bleibt, wie es ist

Mikes Leben steht Kopf. Erst macht seine Freundin Lisa mit ihm Schluss, weil sie angeblich sowieso nicht richtig zusammen waren. Dann beschließt Lisa, als Schulsprecherin zu kandidieren, weil sich das bei den College-Bewerbungen so gut macht – und er muss als Stellvertreter mitmachen. Durch dieses Amt gerät er ins Organisationskommitee für den Abschlussball, zusammen mit lauter Cheerleaderinnen und dem verhassten Tim Wallace. Und zu guter Letzt erfährt er noch, dass er auf einer Party in betrunkenem Zustand einen Jungen geküsst haben soll. Er? Einen Jungen? Kurzum: Mikes Leben steht Kopf.

Der Tag, an dem die Schülervertreter ihre Wahlreden halten, ist total easy und entspannt, zumindest für Mike, denn sollten sie verlieren, kann er diesen ganzen kitschigen Schulpolitikscheiß einfach schnell wieder vergessen; gewinnen sie, ist Lisa glücklich und dann hoffentlich auch zufrieden mit ihrem außerschulischen Terminplan – für Mike ist es also letztendlich egal, wie es ausgeht.

Schwul oder nicht schwul?

An sich war der sechzehnjährige Mike mit seinem Leben recht zufrieden. Abhängen mit seinen Freunden und seiner Band, gerne mal einen Joint rauchen, ab und zu mit Lisa ein wenig herumknutschen und am Wochenende mit seiner kleinen Schwester Rosie spielen. Doch plötzlich wird er gezwungen, komische Dinge zu tun, wie den Abiball zu planen. Und wieso meint Lisa, dass sie gar nicht echt zusammen waren? Doch der Hammer ist die Sache mit der Party. Je mehr Mike darüber nachdenkt, desto mehr wird ihm bewusst, dass er manche Jungs ganz schön heiß findet. Aber ausgerechnet Tim Wallace, der ihn früher immer verprügelt hat? Das kann doch nicht sein! Mit der Zeit wird es jedoch immer klarer. Was nun? Soll er sich outen oder nicht? Das bereitet ihm schlaflose Nächte.

Überzeugende Darstellung

Natürlich habe ich keine Ahnung, wie sich ein Jugendlicher fühlt, dem auf einmal klar wird, dass er schwul ist. Aber Mikes Gefühlschaos mit allen Aufs und Abs wird so überzeugend geschildert, dass ich mir gut vorstellen kann, dass es so sein muss. Die Darstellung konzentriert sich auf Mike, die Leser lernen ihn wirklich sehr gut kennen. Was ich auch stimmig fand, ist, wie unterschiedlich die Reaktionen seiner Umwelt waren. Die Familie reagiert sehr verständnisvoll. Da hätte ich es realistischer gefunden, wenn wenigstens eine Person erst einmal ein Problem gehabt hätte, aber selbst seine Oma ist obercool und hält ihm erst mal einen Vortrag über die Verwendung von Kondomen. Seine Freunde sind allerdings überwiegend erst einmal geschockt. Manche haben vielleicht sogar Angst, dass Mike jetzt etwas von ihnen will. Und Mike kann es nicht fassen, dass Kumpels, mit denen er seit dem Kindergarten oder der Grundschule abhängt, ihn plötzlich meiden.

Die Leser lernen Mike und seine Gefühlswelt ziemlich genau kennen. Anfangs wird er als etwas orientierungsloser Mensch geschildert, der ziemlich viel kifft und trinkt, chillt und auf Partys geht, sich aber auch sehr liebevoll um seine kleine Schwester kümmert. Mit der Zeit gewinnt sein Charakter enorm an Tiefe. Alle anderen sind nicht so detailliert dargestellt, aber Rosie mit ihrer doch sehr speziellen Art habe ich ins Herz geschlossen.

Happy End

Gegen Ende findet Mike immer besser heraus, was er wirklich will und welche sexuelle Orientierung er hat. Auch seine Freunde gewöhnen sich daran. Auch wenn manche noch etwas distanziert sind, so ist doch abzusehen, dass sie es mit der Zeit akzeptieren werden. Das hat mir sehr gut gefallen.

Das Buch kann Jugendlichen Mut machen, die auf der Suche nach ihrer sexuellen Orientierung sind. Eine Weile geht alles drunter und drüber, aber mit der Zeit werden sie sich finden und ihre Umwelt wird sich daran gewöhnen. Aber auch für diejenigen, die schon wissen, dass sie sich fürs andere Geschlecht interessieren, ist das Buch spannend zu lesen. Denn es kommt keineswegs mit erhobenem Zeigefinger daher. Viele Passagen sind sehr komisch, zum Beispiel als Mike sich überreden lässt, sich zu Halloween als Cheerleader zu verkleiden. Auch Action und Spannung kommen nicht zu kurz.

Die Dinge beim Namen nennen

Die Sprache gefällt mir gut, sie passt zwar zur Altersgruppe, ist aber nicht anbiedernd auf Jugendslang ausgerichtet. Als es dann wirklich zur Sache geht, werden die Dinge nicht schamhaft umschrieben, sondern beim Namen genannt. In einer anderen Rezension wurde der Stil vulgär genannt. Okay, es kommen Wörter wie Scheiße (oft) oder Schwanz vor oder jemand „kann mich mal“, aber ich habe das nicht als unpassend oder übertrieben empfunden.

Was mir allerdings nicht gefällt, ist der Titel. Erstens mag ich diese endlos langen Titel generell nicht, aber das ist sicher Geschmackssache. Und zweitens finde ich, dass er nicht richtig passt. DIE Welt übt überhaupt nicht den Untergang. Höchstens Mikes Welt, die bröckelt allerdings an der einen oder anderen Stelle. Aber gut, dies mein einziger Kritikpunkt, ansonsten kann ich das Buch wirklich empfehlen.

Fazit: Gut geschriebenes Buch über die Entdeckung eines Jungen, dass er homosexuell ist, und seinen Umgang damit für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren.

S. J. Goslee: Die Welt übt den Untergang und ich grinse zurück. Aus dem Amerikanischen von Marianne Harms-Nicolai. Dressler 2017. 320 Seiten, Euro 16,99, ISBN 978-3-7915-0030-0.

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Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.