Zwei, die die Nacht lieben
Leo, 15, liebt die Sonne. Unglücklicherweise hat er eine seltene Hautkrankheit, derentwegen er überhaupt keine Sonne abbekommen darf und nur nachts ungeschützt nach draußen kann. Er hat deswegen schon zahllose Operationen hinter sich, seine Haut sieht aus wie die eines alten Mannes und wenn er das Haus verlässt, muss er eine Art Astronautenanzug mit UV-Schutz tragen. Nach den Ferien wechselt er in eine neue Schule, die sich bereiterklärt hat, die Fenster seines Klassenraums mit Folien abzukleben. Für seine Klassenkameraden ist er von der ersten Minute ein Freak. Doch trifft er dort Ina kennen, 14, die den Mond liebt und der er schon einmal bei einem heimlichen nächtlichen Ausflug begegnet ist. Sie träumt davon, Astronautin zu werden – aus ganz speziellen Gründen. Die beiden freunden sich miteinander an, stoßen dabei aber auf das Unverständnis ihrer Umwelt. Nachts erleben beide einige glückliche Momente miteinander. Doch beider Alltag ist schwierig.
Leo setzt sich still auf ihr indisches Sitzkissen.
„Ich hasse sie“, stemmt Anke hinaus. Einundzwanzig, zweiundzwanzig. „Die hat sie doch nicht mehr alle. Ich sollte mir eine Axt in den Kopf rammen, damit sie mich überhaupt wahrnimmt.“
Leo schweigt.
„Aber Anke kommt ja klar, die hat für alles Verständnis. Besonders für den kleinen Hosenscheißer Leo.“ Anke legt wutschnaubend ein weiteres Gewicht nach, klemmt sich, flucht. „Bei uns in der Familie ist es wie in der Kirche. Alles starren in ein und dieselbe Richtung, und Papa sagt Ja und Amen (…).“
Komplizierte Beziehungen
Die Beziehung zwischen den Ina und Leo ist kompliziert. Leo kapiert nicht, was Ina von ihm will, genießt aber mit der Zeit doch das Beisammensein. Ina lebt in ihrer eigenen Welt und freut sich, dass sie dort nicht mehr alleine ist. Beide sind schwierige Menschen, die mit der normalen Alltagswelt nicht klarkommen. Leos Familie ist wegen seiner Krankheit zerstritten und unglücklich, Ina lebt bei ihrem Vater, der sein Leben auch nicht auf die Reihe bekommt. Leo hat lange alles relativ widerspruchslos hingenommen, beginnt aber nun zu rebellieren. Ina setzt die Erfüllung ihres Traumes über alles.
Ich mag die beiden komplizierten Protagonisten. Sie handeln nicht immer rational, doch ist vollkommen nachvollziehbar geschildert, warum sie manchmal aus ihren Zwängen ausbrechen und sich beide eine geheime Nachtwelt aufgebaut haben, die sie schließlich miteinander teilen. Die Beziehungen zu ihren Mitmenschen sind aus den verschiedensten Gründen problematisch. Gerade Leo erscheint oft egoistisch, aber ich konnte das so gut verstehen. Beide haben große Talente, die ihnen schließlich dabei helfen, ihren Weg zu finden.
Leos Eltern fand ich schwer erträglich, obwohl ihr Verhalten durchaus nachvollziehbar ist: seine überfürsorgliche Mutter, deren Leben fast ausschließlich um ihren Sohn kreist, sein Vater, dem das alles zu viel ist und der sich auf seine Arbeit fokussiert, um dem häuslichen Elend möglichst lange zu entkommen. Inas Vater dagegen ist ziemlich cool und sympathisch, auch wenn er sein Leben nicht wirklich auf die Reihe bekommt. Mitleid hatte ich dagegen mit Leos Schwester Anke, die immer an zweiter Stelle stehen muss. Doch ob sympathisch oder nicht, die Personen sind alle glaubhaft dargestellt. Das mochte ich sehr.
Freak und Freak gesellt sich gern?
Die Geschichte von Leo und Ina ist die Geschichte einer behutsamen Annäherung zweier sehr unterschiedlichen Jugendlichen, zweier Außenseiter. Reicht die Liebe bzw. Hassliebe zur Nacht für eine dauerhafte Beziehung? Werden sie sich ineineinander verlieben? Wie kommen die beiden damit klar, dass die anderen Schüler sie für Freaks oder durchgeknallt halten? Werden sie etwas finden, womit sie in der Welt bestehen können?
Etwas sperrige Protagonisten mit nicht ganz einfachem Leben bestimmen diese Lektüre. Doch die Autorin schildert Ina und Leo mitsamt ihren Problemen äußerst feinfühlig, wie ich finde. Lange bleiben gewisse Dinge offen, weshalb manches Handeln, gerade von Ina, zunächst nicht ganz nachvollziehbar ist. Mit der Zeit klärt sich jedoch alles. Ich war gespannt darauf zu erfahren, was die beiden Jugendlichen bewegt, was sie (voreinander) verbergen, wie sie mit neuen Herausforderungen umgehen und vor allem, ob sie trotz aller Vorbehalte den Weg zueinander finden. Die Sprache ist gut verständlich, mit vielen Dialogen und scharfen Beobachtungen.
Mich hat die Geschichte von Leo und Ina gefesselt. Als es schließlich zum großen Showdown kam, habe ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen können.
Fazit: Eine fesselnde Geschichte um zwei sehr ungewöhnliche Jugendliche, die ihren Platz im Leben suchen. Für Leserinnen und Leser ab 13 Jahren.
Corinna Antelmann: Im Schatten des Mondes. Monika Fuchs Verlag 2018. 208 Seiten, Euro 11,90, ISBN 978-3-947066-15-5.
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